Marathon No. 20: 48. Berlin Marathon

Zitat

„Einen Marathon zu laufen ist wie ein gutes Buch zu lesen – nach einer gewissen Zeit merkt man gar nicht mehr, dass man es tut.“

Frank Shorter, Olympiasieger Marathon 1972 in München

Anmeldung

Da in Berlin, dem mit Abstand größten Marathon-Event in Deutschland die Startplätze sehr begehrt sind, muss man sich im Vorjahr registrieren und lange hoffen, dass man ausgelost wird. Am 25.10.2021 hab ich mich deshalb registriert für meine dritte Teilnahme in Berlin. Am 13.01.2022 kam das Verlosungsergebnis.

Wir wussten Alle zu dem Zeitpunkt natürlich nicht, wie sich Corona im Jahr 2022 entwickeln wird – eventuell ist es vorbei oder wir sind im Herbst in der Corona-Welle Nr. 987. Von dem größeren Problem durch den kriegerischen Einmarsch Russlands in der Ukraine ahnte damals auch noch Niemand etwas. Wir buchten ohne Kenntnis dessen vorsorglich gleich schon mal Mitte Januar ein Hotel in Berlin mit guter Anbindung zum Startbereich.

Trainingsplan

Nach dem Regensburg Marathon am 29.05. ging ich es im Juni lockerer an bis am 26.06. meine Road to Berlin 2022 begann. Ich nahm wieder den 12-wöchigen Trainingsplan von Andreas Butz mit einer Woche Puffer während der European Championships-Woche Mitte August mit dem Run of 22 am 15.08. Mitte September wollte ich meine 10. Teilnahme beim Friedberger Halbmarathon klar machen – auch wenn 2 Wochen vor dem Marathon ein Halbmarathon-Wettkampf nicht so empfehlenswert ist. Als Zielzeit für den Marathon wollte ich endlich mal unter 3:40 Stunden bleiben. Doch Mitte Juli erlebte ich meine Tage in Corona mit einer zweiwöchigen Laufpause. Da es danach lauftechnisch nicht optimal verlief, was aber auch am heissen Sommer 2022 lag, war das Ziel nur noch: kein DNS (Did not start) und kein DNF (Did not Finish). Auftrieb gab mir, dass ich ausgelost wurde, an einer Studie von Adidas teilzunehmen und kostenlos die neuesten schnellen Karbonschuhe zugesandt bekam. Da sie etwas spät kamen, konnte ich nur 60 km mit ihnen trainieren – Achillesschmerzen inklusive.

Heisst die Studie „Adidas Adizero Adios Adipös Pro 3“

Anreise

Am Freitag noch kurz von Katze Lucky verabschieden und zu Fuss ging es zur S-Bahn um 7:40 Uhr aus dem Haus. Die S-Bahn um 7:55 Uhr schafften wir trotz Gepäck noch – weil Michaela immer so rennt. Da die S-Bahn in München auf der Stammstrecke immer mehrere Gedenkpausen macht, brauchten wir 10 Minuten länger. Die einfache Fahrt kostete mich auch 7 Euro – für den Preis gibt es in Berlin fast ein 24-Stunden-Ticket. Schnell zu den Fernzügen und da gab es gleich eine Gleisänderung. Wir waren natürlich direkt in der Zugspitze und mussten den ewig langen ICE entlang laufen.

Komisch, dass unsere Plätze nicht gegenüberliegend, sondern über zwei Reihen verteilt, reserviert waren. Wir saßen uns einfach hin und ich durfte auf Platz 42 sitzen – bin ja ein Marathoni. Wir waren jedoch nicht die Einzigen, bei denen die Reservierung nicht geklappt hatte.

Der Zug fuhr pünktlich ab über Nürnberg, Leipzig nach Berlin. Interessant war ein junges Business-Kasper-Pärchen, bei dem sie wohl TrainOffice gemacht hat und englischsprachig Telefonkonferenzen abhielt. Michaela sah einen Film und ich versuchte mit Podcasts die Zeit zu überbrücken. Pünktlich um 13:30 Uhr sind wir am Berliner Hauptbahnhof angekommen.

Da wir Hunger hatten sind wir in ein Schnellimbiss namens „Rice On“ gegangen und haben uns eine Bowl geholt. Jetzt sind wir auch total Hipp hier in Berlin. Da Michaela ihre Bowl nicht so schmeckte, tauschten wir. Sie hatte recht – grausam.

Danach sind wir mit der S-Bahn nach Spandau zum Hotel gefahren, wo wir ab 15 Uhr einchecken konnten. Direkt gegenüber dem Bahnhof Stresow (einer alten Kaserne) war das Hotel Spiegelturm. Wir checkten ein und ich zahlte die Rechnung für 4 Übernachtungen mit Frühstück: 195 Euro – ein Schnäppele. Nach den schlechten Hotel-Erfahrungen bei Marathon No. 1 und 10 waren wir vom Hotel und dem Zimmer sehr positiv überrascht. Auch das Frühstück war frisch und sehr ausreichend und das Personal extrem freundlich. Selbst am Sonntag gibt es ab 6:30 Uhr Frühstück – der Kaffee vor dem Marathon ist gesichert. Nach Zimmer 110 in Regensburg waren wir diesmal in Zimmer 0815 einquartiert – die Aussicht war aber toll.

Erstmal alles verstauen und kurz frisch machen. Gleich gehts zur Marathon-Messe.

Marathon-Messe

Um 15:30 sind wir mit der S-Bahn erst zum Westkreuz und dann mit der Ringbahn nach Tempelhof gefahren. Das wär mal eine Idee für den MVV in München. Stattdessen verbuddelt man dort über 7 Milliarden und baut bis ca. 2037 parallel zur Stammstrecke eine Zweite. Vom S-Bahnhof Tempelhof war es schon noch ein gutes Stück bis zur Messe. Wir trennten uns und ich bekam mein Bändchen und holte meine Startunterlagen und probierte noch das Finishershirt aus und kaufte es.

Das letzte Berlin-Bändchen (09/2018) hab ich bis Valencia-Marathon (12/2019) getragen.

Wahnsinn, was hier Geld umgesetzt wird. Michaela nahm in der Zwischenzeit an Gewinnspielen teil (2 Sonnenbrillen, Getränke) und mahlte mir mit dem Rad am Stand des Hannover Marathon ein Müsli. Ich hatte ziemlich Durst und kaufte mir am Erdinger Stand ein eiskaltes Bier und auch wieder das Event-Weissbierglas.

Drittes Duell in Berlin nach 2015, 2018 und 2022 zwischen Eliud Kipchoge und Martin Glas

Da Michaela noch zum Grab ihrer Großeltern wollte, blieben wir nur kurz auf der Messe und gingen zum S-Bahnhof zurück. Dort kaufte sie noch einen Strauss Blumen. Leider ist es vom Bahnhof zum Zentralfriedhof (u.a. mit dem Grab von Rosa Luxemburg) sehr weit und auf dem weitläufigen Friedhof bis zum Grab eine Ewigkeit zu gehen. Danach mussten wir natürlich auch noch zurückgehen und sind mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof, wo wir uns noch Getränke und Baguettes fürs Abendbrot kauften. Nach der S-Bahn-Fahrt waren wir um 20:45 im Zimmer angekommen.

Glücklicherweise konnte ich in der Nacht gut schlafen und am Samstag früh gab es im Hotelrestaurant bei toller Aussicht ein leckeres Frühstück.

Vormittags machten wir einen Spaziergang durch Spandau, das sehr idyllisch ist mit alten Häusern. Unter anderem ist hier das älteste Haus Berlins als Museum umgebaut. Es ist hier nicht so hektisch wie in der Innenstadt. Überrascht waren wir auch von den Kuchenpreisen, die durchschnittlich bei 1,20 Euro lagen. Daheim zahlt man beim Bäcker 3,20 Euro.

Mittagessen gab es in einem italienischen Restaurant – Spaghetti al Ragu. Lecker. Da wir ja erst gefrühstückt hatten, waren wir danach „übersatt“.

Am Nachmittag fuhren wir zu Birgit, der Mama von Michaela, die wir seit unserem Berlin-Urlaub im Juni 21 nicht mehr gesehen haben. Wir unterhielten uns gut bei Kaffee und Kuchen und waren übervoll genährt – ich rolle Morgen den Marathon.

Zurück bei leichtem Nieselregen zum Alexanderplatz, wo wir uns bloss noch Brötchen für das Abendessen kauften. Außerdem kauften wir noch einen mit Heliumgas gefüllten „I love you“-Ballon und zusätzlich von einem Strassenverkäufer noch einen beleuchteten Ball-Ballon. Dann mit der S-Bahn zurück nach Spandau.

Im Olympiastadion war das Lollapalloza-Festival, weshalb die Bahn gut gefüllt war. Daheim erstmal die Laufklamotten herrichten für den morgigen Wettkampf. So richtig Lust hab ich nicht, fühle ich mich doch total vollgefressen. Dann unter die Dusche und noch den Steirer-Krimi anschauen. Um kurz nach 22 Uhr gingen wir ins Bett und konnten Beide ewig nicht einschlafen.

Vor dem Lauf

Um 5:45 weckte uns der Wecker. Ich fühlte mich nicht so topfit, aber die Garmin BodyBattery zeigte erstaunliche 100%. Ich hab aber auch schon viel schlechter in der Nacht vor einem Marathon geschlafen. Zur Sicherheit ein Covid19-Schnelltest – erfreulicherweise negativ. Fieberthermometer hab ich nicht mitgenommen. Keine Ausreden – Heute wird gelaufen. 

Kurz ins Bad und für das Frühstück fertig machen. Glücklicherweise öffnet das Buffet auch am Sonntag um 6:30 Uhr. Ich hab nur ein Brötchen mit Schinken und Käse gegessen und einen doppelten Espresso. Für die Fahrt hab ich mir ja einen Maurten-Drink vorbereitet. Michaela blieb noch etwas beim Frühstück, als ich wieder aufs Zimmer ging. 

Ich zog mich im Bad fertig an und packte Alles zusammen. Ich entschied mich, nicht mit den Kompressionssocken zu laufen und diesmal stattdessen die Falke Achillessocken zu nehmen. Mit den Adidas hatte ich im Training immer Probleme mit der Achillesferse. Um 7:10 kam Michaela zurück und machte noch ein letztes Vorher-Foto von mir.

Ich verliess sie dann und ging aus dem Hotel über den Zebra-Streifen direkt in den Bahnhof Stresow. Super, wenn das Hotel so genial liegt – auch wenn man nachts immer das Tür-Zu-Signal der S-Bahn hört. Die Strasse war nass, also hat es in der Nacht wohl geregnet. Dummerweise hab ich die vorbereitete Maurten-Flasche im Hotel vergessen. Es waren schon ein paar Mitläufer im Zug und je näher wir der Stadtmitte kamen, desto mehr stiegen zu. 

Am Hauptbahnhof wollte ich noch kurz auf die Toilette, da die Schlange zu gross war, bin ich jedoch gleich aus dem Bahnhof raus und mit der Menschenmenge über den Washingtonplatz zum Startgelände am Reichstag. Davor hab ich noch kurz ein Dixie-Klo aufgesucht. Cool war das Pärchen in Maler-Ganzkörper-Anzügen vor mir – viel Spass beim Geschäft. Im Kanzleramt sass derweil der Bundeskanzler Olaf Scholz wegen einer von Saudi-Arabien mitgebrachten Covid19-Infektion in Isolation.

Danach noch ein paar Selfies vor dem Reichstag und rein in den inneren Bereich nach der Taschen- und Armbandkontrolle. Vor der Kleiderabgabe musste ich mich noch fertig anziehen und die alte warme Weste anziehen. Es waren 11 Grad, aber ohne Kompressionsunterhemd war es schon noch frisch. Kurze Abschieds-Whatsapp und Handy aus und alles in den Kleiderbeutel. Den gab ich auch gleich ab und ging ein letztes Mal aufs Dixie. Es war ca. 8:45 als ich zu meinem Startblock E mit der Menschenmenge ging. Menschen aus aller Welt – insgesamt über 45.000 Starter aus 157 Ländern. 

Im Startblock war es anfangs noch sehr locker gefüllt. Auf den Videowalls kam ein Interview von Säusel-Bürgermeisterin Franziska Giffey, die erstmals den Berlin Marathon starten darf. 

Um 9:00 starteten die Handbiker mit Seriensieger Marcel Hug aus der Schweiz. Danach wurde „Chariots of fire“ von Vangelis aus dem Film „Stunde des Siegers“ gespielt und es wurden die Favoriten bei den Frauen und Männern vorgestellt und von ihren Landsleuten frenetisch angefeuert. Bei Weltrekordhalter Eliud Kipchoge war der Jubel extrem – ihn mögen Alle. Zum Start die typische Melodie „Sirius“ von Alan Parsons und um 9:15 starteten die Eliteläufer unter Applaus der noch Wartenden ihr Rennen. Es dauerte noch etwas und ich zog meine Weste aus und legte sie am Rand ab. Dann bewegten wir uns unerbärmlich langsam Richtung Start. Gleich wirds richtig ernst.

 

Das Rennen – Impossible is Nothing

Um 9:35 sollte es für die zweite Startwelle, in der ich mich befand, losgehen. Das Motto des 48. BMW-Berlin Marathon lautet „Impossible is Nothing“, also das Nichts unmöglich ist. Ich richtete noch den ProPace-Plan für eine Endzeit von 3:38 Stunden ein. Mal schauen, ob es trotz der Schwierigkeiten während des Trainings (aber mit den Wunderschuhen) klappt, nach 3:40:47 in Ulm und 3:40:31 in Regensburg, endlich unter 3:40 Stunden zu bleiben. Die 2 Minuten Puffer sind wegen der sicherlich längeren Strecke eingerechnet. 

Der Sprecher forderte uns auf, die Hände in die Höhe zu strecken. Dann wieder die Sirius-Melodie und der finale Countdown. Die Startwelle 2 ist gestartet. Da ich ziemlich weit vorne war, passierte ich nach einer Bekreuzigung gleich die Startlinie und startete dabei die Laufuhr. Los geht’s – pack mas. 

Der Läufertross bewegte sich ohne grosses Gedränge auf den Weg zum Friedensengel, der Gold-Else, die die Menschenmasse in zwei Teile trennte. Einfach toll und danach war der erste Kilometer in knapp unter 5 Minuten geschafft. Weiter im konstant schnellen Tempo zum Kreisel am Ernst-Reuter-Platz wo wir Richtung Alt-Moabit liefen. Ich überholte einen komplett barfuss Laufenden. An der ersten Verpflegungsstelle schnappte ich mir gleich einen Wasserbecher. Durch das Bechermeer (aus recycltem Plastik) kämpften wir uns weiter und nach der Verpflegungsstation, als der Asphalt wieder trocken war, klebten die Schuhe noch ein paar Meter ungewohnt lange an der Strasse. 

Die zwischenzeitlich angezogenen Kopfhörer nahm ich wieder ab, da gleich der erste vereinbarte Fotopoint an der Moltke-Brücke beim Kanzleramt kam. Ich suchte die Ränder mit den vielen Zuschauern nach den Luftballons von Michaela und Birgit ab. Auf der Brücke erkannte ich die Beiden und Michaela schoss einige Fotos von mir. Das hat ja super geklappt. 

Im weiter konstanten 12km-Tempo liefen wir entlang des Spreebogenparks durch das Regierungsviertel und über die Kronprinzenbrücke auf den Friedrichstadtpalast in der Friedrichstrasse. Die Beine fühlten sich noch gut an und nach dem Abbiegen in die Torstrasse ging es über den Alexanderplatz zum Strausberger Platz, wo Michaela und Birgit wieder stehen wollten. Ob sie es geschafft haben? Ich war ja so schnell und auch in der U-Bahn war sicherlich sehr viel los heute. Genau an der vereinbarten Stelle sah ich die Beiden und lief etwas von der Ideallinie weg außen auf sie zu. Leider ist ein anderer Läufer direkt vor die Linse gelaufen. 

An der Lichtenberger Strasse ist mittlerweile ein fester Radweg errichtet worden. Aber die Strasse ist immer noch breit genug. Ich nahm mein zweites Maurten-Gel nach km 12. Wieder über die Spree nach Kreuzberg, wo viele Bands und Zuschauer uns Läufer anfeuerten. Endlich wieder Kinderhände abklatschen, die sich uns entgegenstreckten. Einem Läufer hatte ich dadurch den Überholvorgang vermasselt, da er fast gegen meine Hand gelaufen ist. Ich entschuldigte mich und wir unterhielten uns nett.

Im Reuterkiez ging es wieder Richtung Westen an der Hasenheide (nicht dem Industriegebiet in Fürstenfeldbruck) zum Südstern, nach dem es Gel Nummer 3 gab. 

Bei km 20 hab ich die Verpflegung verpasst und bin ohne Wasser weitergelaufen. Beim Rathaus von Schöneberg war der Halbmarathon in 1:45 Stunden geschafft. Natürlich viel zu schnell, aber wenn die Beine das Tempo der Schuhe mitmachen, will ich mich nicht beklagen. Ich versuchte, weiter um die 5 Minuten für den km zu brauchen. 

Weiter zum Innsbrucker Platz, wo wir unter den Gleisanlagen durchliefen. Die Strassen wurden etwas enger, aber überall standen Zuschauer. Besonders viele Mexikanische Fans feuerten ihre Landsleute an – gefühlt überall auf der Strecke. Die 25km-Marke war geschafft und an der Kaisereiche ging es Richtung Rheingauviertel. An einer Verpflegung schnappte ich mir 3 Maurten-Gels (kosten ja sonst über 3 Euro das Stück) und in Schmargendorf war am Beginn der Hohenzollerndamm-Strasse Kilometer 30 erreicht. „Nur“ noch 12,2 km. Eine Dudelsackgruppe motivierte uns, wegen der Musik schnell davonzulaufen.

In Wilmersdorf entlang des Preußenparks zum Kurfürstendamm. Kurz davor war der Bruder von meinem Chef als Moderator im Einsatz – aber ich konnte ihn nicht erkennen. Zunächst auf die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu, deren „Spitze“ im blau durchschimmernden Himmel lag. Dort dann über den Breitscheidplatz am Bikini-Center vorbei zum KaDeWe um die architektorisch schöne Haltestelle am Wittenbergplatz. 

Wieder einen Gelbeutel, um dem drohenden Kraftverlust Einhalt zu bieten. An den „Mann mit dem Hammer“ dachte ich überhaupt nicht – man darf den Dämonen keinen Raum geben. Kurze Zeit später jubelten uns die Adidas-Runner zu und riefen auch meinen Namen. Wahrscheinlich, weil ich diesmal mit Adidas-Schuhen laufe. 

An der Bülowstrasse bogen wir in die Kurfürstenstrasse ein. Es zog sich schon ziemlich von der Strecke und auch in beiden Oberschenkeln spührte ich ein leichtes Ziehen. Es wurde immer schwerer, die 5-Minuten-Grenze einzuhalten. Mit stoischem Blick lief ich auf der blauen Linie Richtung Potsdamer Platz und war glücklich, als ich das Dach des Sony-Center entdeckte. 

Läuft wie auf Schienen

Weiter, jetzt heisst es Zähne zusammenbeißen. An der „Mall of Berlin“ liess ich die Verpflegung links liegen. Ich war knapp 6 Minuten unter der ProPace-Zielzeit von 3:38. Es könnte sogar noch mit Sub 3:30 klappen. Im RunnersHigh-Rausch wird man schnell mal grössenwahnsinnig. Manchmal muss man ausweichen, weil Läufer auf der blauen Linie gehen. Kurz rumlaufen und bloss keine Meter mehr verschenken. 

Endlich der Gendarmenmarkt – nur noch 1km. Weiter auf die Straße „Unter den Linden“. Nochmal Alles geben auch wenn Alles weh tut. Ich sah eine Frau mit bayrischer Flagge am Straßenrand. Vorbei an der russischen Botschaft mit erhobenem Mittelfinger und am Hotel Adlon entlang durch die Menschenmasse zum Brandenburger Tor. Wo lauf ich diesmal durch? Ich nahm wieder den mittleren Bogen wie 2018. 

Noch ca. 300 Meter bis ins Ziel. Irgendwo auf den Tribünen wollten Michaela und Birgit warten und ich erkannte sie sofort. Aus den Boxen schallte „Summer of 69“ von Bryan Adams.

Noch ein kleines Herzchenfoto und ab auf die Zielgerade. Nur noch ein paar Meter und völlig fertig erreichte ich in handgestoppt 3:32:00 das Ziel. 

Marathon No. 20 in fast auf den Tag genau 7 Jahren ist geschafft in einer für unmöglich geglaubten Zielzeit – meiner sicherlich absoluten Persönlichen Bestzeit. So damn lucky – Everything is possible. Bei optimalen äusseren Bedingungen auf verdammt schnellen Sohlen. 

Nachdem ich meine Finisher-Medaille überreicht bekam entdeckte ich einen handschriftlich geschriebenen Karton, auf dem stand „New WR 2:01:09“. Ich konnte mir schon vorstellen, wer neuen Weltrekord gelaufen ist. 

Einfach überglücklich – New PB 3:31:56

Im Zielbereich waren leider einige Marathonis körperlich so am Ende, dass sie ärztlich versorgt werden mussten. Mir ging es kreislaufmäßig relativ gut und ich nahm gleich 3 Becher Wasser und holte mir den Verpflegungsbeutel. Leider wieder eine Plastiktüte. Am Erdinger-Stand ein Bierchen und den Kleiderbeutel abholen. 

Leider gibt es keine richtige Sitz-/Umkleidemöglichkeit. Deshalb im Stehen raus aus den durchgeschwitzten Klamotten und endlich das Finisher-Shirt überstreifen. Handy einschalten und meiner Mama Entwarnung geben. Mit Michaela vereinbarte ich einen Treffpunkt. Nochmal ein kleines Weg-Bier und vor dem Reichstag ein paar Selfieversuche nun mit Medaille. 

Nach dem Lauf

Die Medaillengravur ging überraschend schnell und so bin ich gleich weiter zum Brandenburger Tor und traf die Beiden wieder. Da ich während des Laufs schon von der Currywurst mit Pommes geträumt hatte, konnte ich diesen Traum für 9 Euro schnell verwirklichen. Lecker lecker lecker. 

Gehste in de Stadt, was macht Dich da satt – ne Currywurst.

Nach kurzer Pause machten wir uns auf den Weg zum U-Bahnhof am Bundestag und ließen noch unseren Luftballon frei.

Wir fuhren zum Alexanderplatz und verabschiedeten uns für Heute von Birgit. Mein Bruder rief an und wollte 11 Euro, weil ich 11 Minuten schneller als letztes Mal in Berlin war. Er hätte mir je Minute, die ich langsamer gelaufen wäre, 1 Euro gezahlt. Mit der S-Bahn ging es zurück nach Spandau. Eine Läuferin hatte total verbundene Knie – autsch. 

Ab unter die Dusche und kurz TV schauen. Eliud Kipchoge hat seinen eigenen Marathon-Weltrekord verbessert um genau 30 Sekunden gegenüber 2018. Ich war über 11 Minuten schneller als 2018 (und 28 Minuten schneller als 2015) – aber das interessiert diese zwangsgebührenfinanzierte Lügenpresse nicht (Ironie-Ende). 

Leider hatte das Hotelrestaurant am Sonntag Abend geschlossen. Deshalb sind wir nach Spandau und in das Restaurant „satt&selig“. Ich gönnte mir eine Berliner Weisse und einen Burger mit Pommes. Satt war ich danach und selig bin ich seit dem Marathonfinish ja sowieso. 

Am Abend durfte Michaela ihre „Reimanns“ anschauen, während ich mit diesem Bericht anfing. Völlig K.O. gingen wir um 22:30 Uhr ins Bett. 

Der Tag danach

Was für ein Muskelkater? Die Nacht durch hatte ich ziemliche Schmerzen in den Beinen und schlecht geschlafen. Gegen 7 Uhr standen wir auf und machten uns auf zum Frühstück. Ich hatte richtig Hunger und es gab Rührei mit Speck. Die Kanne Kaffee musste auch sein. Jeder Gang zum Buffet tat weh. Vor allem das Aufstehen.

Um kurz vor 10 Uhr besuchte Birgit uns im Hotel und wir fotografierten von der Aussichtsplattform.

Danach gingen wir durch Spandau und Michaela und ich brachten eines unserer Liebesschlösser an der Möllentorsteg-Brücke in der Geburtsstadt von Michaela an. 

Nach einem Brezel-Eis gab es noch eine Currywurst am Stand. Wir beobachteten ein Team vom Sat1-Frühstücksfernsehen, das Leute befragte, was sie mit dem Erntedank verbinden und Gemüsesorten erraten mussten. Hoffentlich fragen sie uns nicht. Da es schon ziemlich regnerisch aussah, sind wir noch kurz ins Hotel. 

Was ist das für ein Gemüse? – Currywurst

Danach sind wir mit der S-Bahn zur Heerstrasse gefahren. Von dort war es ca. 30 Minuten Fussmarsch zum Teufelsberg hoch, einer ehemaligen Abhörstation der US Army. Die verlassene Station wurde von Graffiti-Künstlern umgestaltet. Man kann über die Treppen bis ganz nach oben – tolle Idee am Tag nach dem Marathon. Richtig spooky hier oben und wenn der Wind durch die Abhörstation pfeift.

Danach mussten wir wieder zur S-Bahn marschieren und sind nochmal kurz ins Hotel. Um 18 Uhr sollten wir in einem Restaurant am Alexanderplatz sein. Gleich die Pfandflaschen mitnehmen und dann ab zur S-Bahn in die Stadt. Ich wollte im Kiosk noch einen „Tagesspiegel“ mit der Marathonbeilage kaufen. Die Verkäuferin sagte mir, dass der seit Mittag ausverkauft ist. Beim Flaschenumtausch entdeckten wir noch eine letzte Ausgabe. 

Da das Restaurant, welches Michaelas‘ Bruder Thomas reserviert hatte, heute Ruhetag hat, suchten wir uns ein anderes Lokal und trafen eine gute Wahl. Es war schön, ihn mit seiner Freundin wieder zu treffen. Und so hatten wir Fünf einen schönen, leckeren Abend. Im Restaurant war auch eine Gruppe afrikanischer Top-Läufer, die zuvor groß bei Primark eingekauft haben. 

Um kurz nach 23 Uhr fuhren wir zurück ins Hotel und gingen nach Mitternacht ins Bett. Wir mussten in der früh ja noch fertig packen. 

Heimreise

Am Dienstag schellte nach fünf Stunden Schlaf in aller früh schon wieder der Wecker. Kurz frisch machen und um 6:30 Uhr zum Frühstück. Es war ziemlich voll und wir bekamen gerade noch einen Platz. Wir konnten ordentlich frühstücken.

Nach dem Frühstück noch die Beine mit wärmender Chilisalbe einreiben. Am Oberschenkel hatte ich schon noch etwas Muskelkater, aber es war mittlerweile schon viel erträglicher. Dann noch den Rest einpacken und um kurz vor 8 Uhr sind wir zum S-Bahnhof und mit der S9 von Spandau-Stresow in die Stadtmitte. Es war zur Rush-Hour ganz schön was los.

Wer hat mir einen Bären aufgebunden?

Im Gegensatz zum MVV klappt der Öffentliche Nahverkehr in Berlin viel, viel besser. Am Hauptbahnhof kauften wir uns noch belegte Brötchen für die Zugfahrt und warteten noch etwas, bis wir um 9:15 zum Gleis gingen. Der Zug kam kurze Zeit später und wir hatten sogar das richtige Abteil gefunden. Toll, ein 6er-Abteil im Ruhebereich. Es gab noch kleine Schwierigkeiten, da ein Mann behauptete, dass er auch den Platz 116 gebucht hat. Es stellte sich aber heraus, dass er den Platz in Wagen 4 und nicht wie wir in Wagen 2 reserviert hatte.

Pünktlich um 9:37 Uhr fuhr der ICE von Berlin los. Im Abteil war nur noch ein Mann, der fleißig in sein Laptop hämmerte. Um mir die Fahrtzeit zu verkürzen, schrieb ich an diesem Bericht weiter. In Erfurt stieg der Mann aus und Michaela und ich hatten vorerst das Abteil für uns allein. Leider ist dann ein junges, amerikanisches Pärchen reingekommen und später kam noch eine „lange Dürre“ Amerikanerin mit einer total rauhen Stimme. Sie unterhielten sich so laut, dass ich doch mal mein zweites In-Ear-Kopfteil einsetzte und den ANC-Modus testete. An die FFP2-Maskenpflicht hielten sie sich überhaupt nicht.

Als noch ein vierter Ami reinwollte, haben wir ihnen auf Englisch gesagt, dass das hier ein Ruhebereich sei und Maskenpflicht besteht. Ignorierten sie und nach ein paar Minuten waren sie wieder genauso laut wie zuvor. Anscheinend waren sie aus einer großen amerikanischen Reisegruppe, die wohl nach dem Berlin-Marathon auf die Wiesn fahren wollten. Ich wünschte ihnen ein schönes Souvenir vom Oktoberfest – nach einer Woche Wiesn ohne Covid19-Auflagen stieg in München die Inzidenz um 77 Prozent. Was zu erwarten war. Ich sagte zu Michaela, wenn wir uns in Amerika so aufführen würden, würden sie uns auf der Stelle erschießen. Wir waren sehr genervt und wenigstens sind die Amis in Nürnberg mal kurz in den Speisewagen verschwunden. Danach kamen sie leider wieder.

Gottseidank waren wir bald in Ingolstadt und es war nur noch kurz bis München. Draußen regnete es teilweise heftig, aber wir kamen nach der pünktlichen Ankunft im Hauptbahnhof gleich zu unserer S-Bahn. Ausnahmsweise mal pünktlich und da es 14:15 Uhr war, waren noch keine Besoffenen von der Wiesn dabei. Vom Bahnhof in Gernlinden sind wir bei sonnigem, windigen Wetter heimgegangen. Da ich die leichten Karbonschuhe anhatte, war ich froh, dass wir nicht im Regen gehen mussten.

Zuhause schimpfte die Lucky schon mit uns. Sie hatte alles leer gefressen – selbst den neuen Futterautomaten.

Fazit

Marathon Nummer 20 in absoluter Persönlicher Bestzeit von 3:31:56 erreicht – dort, wo 2015 Alles mit „Ich möchte einmal einen Marathon laufen“ begann. Es war ein durchweg gelungenes Wochenende in Berlin mit optimalem Wetter, v.a. während des Marathonlaufs – kühl, kein Wind, nicht zu sonnig. Außerdem war ich wieder live dabei beim Marathon-Weltrekord von Eliud Kipchoge. Ob es bei ihm und/oder mir in Zukunft noch eine Verbesserung gibt, steht in den Sternen. Wir sind ja Beide nicht mehr die Jüngsten. Aber wie Eliud immer sagt: „No human is limited“ – „Kein Mensch ist begrenzt“.

Medaille

Strecke

Streckenvideo

Schaue dir 48. Berlin Marathon 2022 auf Relive an! https://www.relive.cc/view/vXOdeDNVEk6

Videozusammenfassung meines Laufs (nicht auf den Laufstil achten)

Urkunde

Finisher-Shirts

Da es so gut lief hab ich mir noch ein zweites Event-Shirt gekauft

Ergebnis