Genau zwei Wochen nach dem Hamburg Marathon stand am 07.05.2017 das nächste Rennen an. Das Besondere am Wings For Life World Run ist, dass es hier keine Ziellinie gibt, sondern die Läufer vom Catcher Car eingeholt werden. Wer streckenmäßig am Weitesten kommt, hat gewonnen. Und das in 25 Ländern an bestimmten Locations gleichzeitig (in München ist Mittag und in Australien laufen sie mit Stirnlampe). Sämtliche Einnahmen dieses (von Red Bull gesponserten) Events gehen in die Rückenmarksforschung. Motto des Rennens: „Wir laufen für die, die nicht mehr laufen können“.
Nachdem ich im letzten Jahr bei zu warmem Wetter ganz knapp die Halbmarathon-Distanz verpasst hatte, bei der ich die Blasmusik-Kapelle an diesem wichtigen Punkt schon gehört und gesehen hatte, wollte ich dieses Jahr die 20,8 km toppen. Angemeldet hatte ich mich gleich schon nach dem Lauf.
Die Wettervorhersagen waren nicht sehr rosig für den Lauf. Am Vormittag hatte es doch noch geregnet und als ich am Olympiastadion ankam, brauchte ich doch noch den Regenschirm.
Da um 10:00 Uhr noch nicht viel los war, ging es relativ schnell. Toll ist beim Wings For Life-Wettbewerb, dass Alle ein gelbes T-Shirt bekommen und dieses mir sogar in der Größe S passt. Da fühl ich mich gleich viel schlanker 🙂
Nach der Startnummernabholung bin ich noch zum Startbereich am Coubertainplatz, um meinen Gegner zu begutachten – naja bloss ein BMW, da sollte die Halbmarathon-Distanz möglich sein.
Einkaufsmöglichkeiten gab es leider nicht zu viele – die „Marathonmesse“ ist doch sehr überschaubar.
Auf dem Rückweg zum Auto hab ich dann mit meinem Arbeitskollegen Stefan telefoniert und einen Treffpunkt im Stadion ausgemacht. Leider konnte mein Kollege Martin aufgrund einer Erkältung kurzfristig nicht teilnehmen.
Ich bin dann zurück zum Auto, um noch etwas zu Essen und mich dann umzuziehen. Mittlerweile hat es wieder stärker angefangt zu regnen. Zum Schluss dann die Startnummer noch auf dem Trikot anbringen.
Um kurz vor 12:00 Uhr bin ich dann vom Parkplatz hoch zum Stadionrund. Nach einem weiteren Toilettengang gab ich dann meinen Kleidersack ab – den Poncho ließ ich drin. Stefan kam pünktlich und wir haben uns schnell am überdimensionierten Erdinger Weißbier-Glas getroffen. Danach gingen wir runter zum Coubertain-Platz. Dort suchten wir unter dem Vordach noch etwas Schutz vor dem Regen. Als die Startblöcke geöffnet wurden sind wir dann dorthin gegangen. Ich hatte die Startblock-Nummer 2 und Stefan hätte eigentlich aus einem hinteren Startblock starten müssen. Der Ordner hat uns aber glücklicherweise nicht getrennt.
Wir haben uns ganz nett mit einem Läufer aus dem Schwabenland unterhalten. Auch wollten zwei Paare aus der Nähe von Hannover unbedingt noch wissen, wo denn die Metzgerei ist. Sie hätten jetzt schon Hunger. Wir haben dann ausgemacht, mit einer Pace von 5:15 min/km zu laufen, um den Halbmarathon sicher zu schaffen, bevor uns das Auto einholt. Quasi mit mir als Pacemaker – eine ungewohnte Rolle für mich.
Vor dem Start gab es noch Aufwärmübungen mit Ingalena Heuck. Im Hintergrund standen auf der Tribüne die Böllerschützen, die traditionell die Rennen in München eröffnen. Ich sagte zu den Hannoveranern, dass sie sich ducken sollten, weil die scharf schießen.
Um Punkt 13:00 Uhr ging es los – weltweit und auch hier in München. Der erste Kilometer war durch die große Menge an Leuten – obwohl wir ziemlich weit vorne waren – nur langsam (6:16 min/km) zu absolvieren. Wir kamen mehrere Male zum stoppen und die Streckenführung war ziemlich schlangenlinienförmig mit einigen Kehren. Ab dem Olympiasee wurde es dann besser und wir versuchten die verloren gegangene Minute wieder reinzuholen. Vorbei am Sealife ging es dann zur BMW-Welt in Richtung OEZ. Es war das erste Mal seit dem Amoklauf von 2016, dass ich dort wieder vorbeikam und schon ein mulmiges Gefühl.
Weiter ging es durch Moosach am Allacher Güterbahnhof vorbei. Dort verließen wir dann die asphaltierte Straße und sind durch den Park gelaufen. Der Weg war durch den Regen total schlammig und batzig. Nach kürzester Zeit sahen alle aus wie kleine Schweinderln. Das gibt viel Arbeit für die Waschmaschinen. Nach einigen Aufs und Abs kamen wir dann aus dem Park wieder auf die Straße. Stefan wies mich hin, dass bald eine Verpflegungsstation kommt. Ich gab Zwischengas und trank zwei Becher Wasser und schon war er wieder da. Weiter ging es.
Kurz vor Ludwigsfelde sahen wir am Fahrbahnrand eine Herde Schafe, die dann kilometerlang mit uns mitgelaufen sind. Und es waren nicht nur Schafe – auch Ziegen, Kühe und Esel begleiteten uns und liefen teilweise quer über die Strecke. Die Tiere dachten wohl, die Herde an Läufern gehört zu ihnen und büxten so ihrem Schäfer aus und schlossen sich uns an.
Auf der einen Seite war es total witzig mit den Tieren zu laufen – sogar Schäfchen mit ein paar Wochen sind schneller als ich 🙁 Aber für die Tiere war es sicherlich total stressig und einige Tiere verliefen sich auch. Ein Schaf landete sogar auf der A99, die kurzfristig gesperrt werden musste.
Bei der Verpflegungsstation nach Karlsfeld nahm ich mir dann zwei Bananen und – da kein Wasser griffbereit war – auch einen Becher von dem Red Bull Cola, welches penetrant nach Zimt schmeckte. Leider hab ich Stefan aus den Augen verloren. Ich dachte, ich hätte genug Abstand herausgelaufen. Dann sah ich vorne aber die 21km-Pacemaker, die wir kurz zuvor überholt hatten. Also musste er vor diesen sein. Kurzer Zwischensprint und dann sah ich ihn und konnte aufholen. Die Anzeige auf meiner Laufuhr sagte voraus, dass wir ungefähr 22,45 km weit kommen würden, bis uns das Auto einholt. Deshalb liefen wir locker in dem Tempo weiter. Mittlerweile zwickten beide Oberschenkel aber doch etwas. Zwei Wochen nach einem Marathon ist man halt doch noch nicht so ganz fit.
Beim Golfplatz von Eschenried nahm ich dann einen Gel-Chip und später noch einen Energieriegel, um wieder zu Kräften zu kommen. Vor der Gaststätte Haderecker standen wieder viele Leute, trotz dem Niesel-/Regen-Wetter und feuerten uns an. Auch die Feuerwehrleute, die die Strecke absperrten, munterten uns immer wieder auf. Dann hörten wir die Blasmusik schon, die traditionell bei Halbmarathon-Distanz standen. Wir liefen zeitgleich mit dem Nikospydi über die Zeitmessung. Dieser war mit Nikolausmaske im hautengen Spiderman-Kostüm unterwegs. Aber so kommen wir vielleicht auch zu einem Foto 😉
Das „eigentliche“ Ziel war erreicht und jetzt ging es nur noch darum, so lange wie möglich vor dem schneller werdenden Catcher Car davon zu laufen. Immer wieder wurden wir von Polizeimotorrädern und Radlern überholt, die uns zuriefen, dass wir uns rechts halten sollten, damit das Auto an uns vorbeikommt. Im Hintergrund hörte man schon die Hupen des Autos. Stefan rief mich auf, nochmal alles zu geben. Aber so viel war da nicht mehr rauszuholen und ich dachte mir, dass es blöd ist, wenn ich jetzt am Schluss alleine weglaufen würde. So lies ich mich wieder zurückfallen und wurde wieder vom Nikospydi eingeholt, als das Catcher Car mich dann einholte. Schluss. Aus. Amen. 22,54 km müssen reichen 🙂
Wir gingen dann mit den anderen „Ausgeschiedenen“ Richtung Feldgeding, wo wir die nächste Bushaltestelle vermuteten. Der Wind war auch wieder stärker geworden und nassgeschwitzt fror ich ziemlich stark. Die ersten Busse waren schon vollbesetzt, doch ziemlich schnell fanden wir einen Platz in einem der nächsten MVV-Busse.
Innerhalb kürzester Zeit beschlugen die Scheiben von Innen. Als es dann losging merkte man auch, wie die Luft immer schlechter wurde. Ich gebs zu, dass ich daran auch meinen Teil beigetragen habe. Stefan hatte plötzlich Probleme mit dem Kreislauf, aber ein Mitläufer übergab ihm seinen Sitzplatz. Auf der Autobahn war dann noch Stau – vielleicht Gefahr wegen freilaufender Tiere. Man sah es nicht, weil die Scheiben total beschlagen waren.
Ab dem riesigen Kreisverkehr in der Verdistraße merkte ich dann, wie es mit meinem Kreislauf rapide bergab ging. Ich fing an, zu schwitzen und fror immer mehr. Kurz vor der Ankunft im Olympiastadion wurde mir unwahrscheinlich schlecht. Gottseidank ließ uns der Busfahrer dann raus – es hätte nicht länger dauern dürfen. Endlich Frischluft. Nach einer kurzen Pause gingen wir dann zurück vom Olympiaturm zum Stadioneinlass. Dort „genossen“ wir dann ein Erdinger, was wegen der Kälte kein Genuß war. Wir trafen dann auch einen weiteren Arbeitskollegen, begaben uns aber dann zur Kleidersack-Abholung und in die Umkleide. Glücklicherweise lagen dort auch ein paar weggeschmissene Silberfolien, die etwas von der Kälte wegnahmen. Nachdem Stefan umgezogen war, verabschiedeten wir uns dann. Ich musste noch zum Auto, um mich umzuziehen. Ich zitterte die ganze Zeit.
Als ich die Socken anzog, bekam ich noch leichte Krämpfe in beiden Beinen, die v.a. beim Kuppeln im Auto immer wieder kamen. Aber dank Autoheizung und Sitzheizung (auf Stufe 3) wurde mir schnell wieder warm. Zuhause angekommen ließ ich mir erstmal eine Wanne voll „Muskel Aktiv“-Bad ein und taute langsam wieder auf.
Am Abend hab ich dann noch erfreut erfahren, dass der weltweite Sieger in Dubei 92km kam – mit dem Rollstuhl. Zum ersten Mal hat ein Rollstuhlfahrer gewonnen. Die weitesten Läufer kamen 88km. Wahnsinn, da werden die 22,8 km doch wieder relativiert. Am Montag konnte ich dann die Urkunde herunterladen – ich war 213. schnellste Frau in Deutschland. Mal schauen, ob sie das noch korrigieren.
Ich bin mit meiner Leistung mehr als zufrieden.
Jetzt heißt es erstmal ein Woche relaxen – Lucky macht es mir vor. Dann geht es weiter mit der Vorbereitung für den Füssener Königsschlösser-Marathon am 23.07.2017.
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