„Aufgehm werd am Schluss“
Lied von Schmidbauer & Kälberer
Der Leipzig-Marathon am 18.04.2021 wurde ja im Februar abgesagt und stattdessen als virtuelles Event in der Zeit vom 02.04. bis einschließlich 18.04. ausgetragen. Ich hatte mir vorgenommen, den Marathon schon am Ostermontag zu laufen. Wegen schlechter Wettervorhersagen hab ich ihn kurzerhand auf den Ostersonntag vorverlegt. Und dieser Versuch führte zu einem Fiasko und meinem ersten „Did not finish“ (DNF) bei einem (virtuellen) Marathon.
Am Liebsten hätte ich die Laufschuhe an den Nagel gehängt und meine Marathon-Karriere beendet, aber schon beim Schreiben des Berichts dazu hab ich mich entschieden, erst bei drei DNF hintereinander die Karriere zu beenden.
Am „Weissen Sonntag“ hatte ich noch den 10 Km-Lauf beim virtuellen Berlin Half gemeldet und der lief mit 46:48 min. wirklich super. So hab ich mich danach kurzfristig entschieden, wenn das Wetter OK ist und auch die Corona-Lage es zulässt, nochmal am ursprünglichen Marathontag einen Versuch zu wagen. Ich hatte nur Michaela in den Plan eingeweiht und wollte diesmal in Gernlinden starten und wieder finishen.
Der Kurs sollte in der ersten Runde meine alte Halbmarathon-Strecke (über Mammendorf) und die aktuelle Halbmarathon-Strecke (über Überacker) zusammenfassen. Halt zwei Halbmarathons hintereinander, wobei ich kurz eine Verpflegungsstation daheim nutzen könnte. Als Zielzeit stellte ich wieder die 3:49:00 Stunden für die ProPace-Strategie ein.
Am Freitag und Samstag versuchte ich, mich in der Metzgerei etwas zu schonen und Schritte einzusparen, wenn es möglich ist. Blöderweise war wieder Schwarzräuchern angesagt, so dass ich noch mehr einsparen musste: Alle 25 Minuten in den Keller, um Buchenholz nachzulegen. Am Samstag hab ich auf dem Heimweg von der Metzgerei meine zwei Verpflegungsbeutel an der Strecke untergebracht und versteckt. Es hatte am Samstag vormittag noch geschneit und die Temperatur lag nur knapp über 0 Grad.
Den mittlerweile für mich obligatorischen Corona-Schnelltest in der Schnellteststation hab ich ausfallen lassen, da mir die Schlange zu lang war am Samstag Nachmittag. Stattdessen daheim einen Selbsttest gemacht – negativ. Der Wetterbericht für Sonntag Vormittag war leider nicht sehr gut mit Regenvorhersage (und ggf. leichtem Schneefall).
Am Samstag ging ich wieder früh ins Bett, denn der Wecker sollte schon um kurz vor 6 Uhr läuten. Da ich mich die letzten Tage geschont hab, war die Garmin Body Battery diesmal bei 100 – vor zwei Wochen am Ostersonntag früh war sie bei 55. Da geht man doch ganz anders an den Start.
Gleich wieder einen Schnelltest machen und bis das Ergebnis da ist, die Katze füttern und mein Futter herrichten. Da mittlerweile für das gesamte Rennen leichter Regen angesagt wurde, hab ich die Laufschuhe noch imprägniert, um etwas den Regen draußen zu halten. Da ich diesen Versuch ziemlich spontan angegangen bin, gab es „normales“ Frühstück. Porridge und Nudeln kann ich momentan eh nicht mehr sehen.
Am Samstag hab ich mir noch die kurze Hose und eine Laufweste hergerichtet. Ich entschied mich kurzfristig doch für die lange Laufhose und evtl. für die zweite Runde eine Regenjacke. Kontaktlinsen einsetzen, Füsse einbalsamieren und Klamotten anziehen.
Kurz nach 7:30 Uhr ging es raus aus dem Haus und die Verpflegungsbox in die Garage stellen. Auf dem Weg zum Start fing es an zu tröpfeln – na super. Auf der Radlbrücke über die Umgehungsstraße ging es los. Es waren ca. 2 Grad am Start und wegen der frühen Zeit noch keine Leute auf der Strecke.
Mit etwas Schwung dann auf zum Fliegerhorst. Am Einfahrtstor hatte ich den ersten Kilometer geschafft – natürlich zu schnell. Entlang des Zauns dann weiter nach FFB und nach dem Luftwaffenehrendenkmal zur Hasenheide. Es lief noch sehr gut auf dem Weg zum Pucher Meer.
Dann der härteste Anstieg in diesem Rennen mit dem Pucher Berg. Wenigstens hat die Polizei heute nicht geblitzt. Weiter zum Ziegelwerk und dann ging es bergab bis zu den Windrädern (die im Nebel verhangen waren) und nach Mammendorf.
Dort dann gleich wieder raus und Richtung Malching. Es lief noch sehr gut und es kam der stetige Anstieg nach Obermalching. Auf dem Abzweig zum Ort Galgen hatte ich mir meinen ersten Verpflegungsbeutel im Baum versteckt (weil man sich ja schlecht während des Laufs bücken kann).
Was wächst denn da? Hier gehts nach Galgen
Dank der Kälte war die Flasche eiskalt und der Gelchip hartgefroren. Erst mal etwas in der Hand wärmen und einen Schluck nehmen: saukalt.
Von Obermalching ging es gut weiter zum Industriegebiet von Maisach und von dort auf den Feldweg nach Gernlinden. Nach einer Kurve kamen mir 4 Frauen mit ihren nicht-angeleihnten Fusshupen entgegen und machten natürlich keinen Anstand, auf die Seite zu gehen.
Ich hatte mittlerweile über 4 Minuten Vorsprung gegenüber dem Plan. Noch in unsere Straße abbiegen und in ca. 1:48 Stunden hatte ich den ersten Halbmarathon geschafft. Viel zu schnell.
In der Garage gab es etwas zu trinken und ich wechselte die nassgeschwitzten Klamotten und zog die Regenjacke über. Als ich das Garagentor wieder zumachte, kam Michaela ums Eck. Leider hat der LiveTrack nicht so gut funktioniert und sie war überrascht, dass ich schon da war und gleich wieder weg musste.
Auf geht’s in die zweite Runde wieder zum Fliegerhorst und daran entlang. Ich hörte hinter mir, dass ein Läufer dicht an mir dran war und wollte mich nicht einholen lassen. Deshalb kurz Zwischengas geben.
Am Ankerzentrum sah ich Michaelas Auto und kurz darauf sie. Leider waren im Bild genau zu diesem Zeitpunkt auch zwei Flüchtende und ich als Flüchtling. Diesmal ging die Runde nun vorbei am Starfighter zum Haupttor der Kaserne und ins Gewerbegebiet Hasenheide.
Ich sah, wie Michaelas Auto im Kreisverkehr zum Swingerklub abbog. Massage wär jetzt genau das Richtige – aber sie stieg aus und fotografierte mich wieder.
Nun lief ich an der Firma Schleifring vorbei durch das Industriegebiet bis zur alten Brucker Strasse.
Sonnenbrille spazieren getragen Wie war das mit dem Parken?
Von dort ging es am Fliegerhorst entlang nach Maisach. Am Bahnhof von Maisach hatte ich die 30 km-Marke passiert.
Weiter führte der Weg zum Schulzentrum und als ich bei der evangelischen Kirche endlich einen Papierkorb fand, kam ich ins Gehen. Ich ging ca. 150 Meter bis zu meinem zweiten Verpflegungsbeutel, welchen ich hinter einem Baum am Friedhof versteckt hatte.
Maisacher Schulzentrum Osterverpflegung
Kurz die Verpflegung verstauen und weiter zum Kreisel an der Überacker Straße. Auf dem Radweg ging es auf bekannter Strecke bis nach Überacker, wo ich gleich Richtung Fussmoos abbog. Ich hatte schon 1-2 kurze Gehpausen einlegen müssen. Dann lief ich weiter durch das Fussmoos-Areal bis ich kurz vor der Fussmoosalm sogar zwei Pferde überholt hatte. Ich war quasi mit mehr als 2 PS unterwegs.
Leider wurden auch die Muskeln am linken Bein immer schmerzhafter – der Schmerz wanderte von der Wade über den Unterschenkel bis zum Oberschenkel. So musste ich immer wieder kurze Gehpausen einlegen. Ich entschied mich, nicht durch das Industriegebiet auf dem Gehweg zu laufen und stattdessen auf dem Feldweg zum Waldsee von Gernlinden. Wenn die Konzentration nachlässt ist das ständige auf und ab auf dem Gehweg nicht sehr angenehm.
Obwohl ich die Strecke vom Waldsee nach Hause schon hundertmal (wenns reicht) gelaufen bin, kam sie mir heute endlos vor. Ich musste immer wieder kurze Strecken gehen und dann wieder loslaufen. Eigentlich heißt es ja „Marathon laufen“ und nicht „Marathon gehen“. Aber ich wollte unbedingt ins Ziel. Von der Zielzeit von 3:49 Stunden hab ich mich schon verabschiedet. Hauptsache ins Ziel kommen und unter 4 Stunden war jetzt die Maxime.
Auf dem Radweg nach Maisach hatte ich die 40 Kilometer geschafft. Jetzt noch bis zum Kreisel und dann rauf auf die Bahnüberführung. Ein endloser Anstieg und oben angekommen sah ich Michaela schon vor mir. Ursprünglich war hier das Ziel anvisiert, aber leider hatte ich noch 1 Kilometer zu laufen.
Also nochmal die große Runde am Restaurant vorbei bis zu unserer Straße. Kurz davor, passenderweise direkt am kleinen Wertstoffhof, waren die 42,195 km (plus ein paar Extrameter wegen GPS-Ungenauigkeit) erreicht. Ich hätte mich gleich wegwerfen können – natürlich in den Alt-Glas-Container.
Trotzdem, dass ich fix und fertig war, hatte ich es doch geschafft. Marathon No. 16 war – zwar auf den zweiten Versuch – geschafft. Normalerweise gibt es bei einem Marathonrennen keinen zweiten Versuch, aber wenn er Einem geboten wird, muss man die Chance beim Schopfe packen. Ich war total happy und ging noch die paar Meter nach Hause, wo Michaela auf mich wartete.
Noch kurz die Verpflegungswanne aus der Garage holen, die Katze begrüßen ( die sich anscheinend 4 Stunden nicht bewegt hatte) und die Badewanne einlaufen lassen. Die nassen Klamotten mussten schnell runter und so konnte ich das Muskel-Aktiv-Bad genießen – pünktlich zu den 12 Uhr Nachrichten. Das tut so gut und so kurz war der Abstand zwischen Ziellinie und Badewanne noch nie.
Michaela holte dann bei unserem Italiener das Mittagessen und ich gab kurz meiner Mama Bescheid, die natürlich nix wusste, dass ich überhaupt vor hatte, heute einen Marathon zu laufen. Essen: Pizza Quattro Stagioni (aber die Extra-große). Passend zum April-Wetter, obwohl Schneefall und Sonne heute fehlten.
Nachmittags dann erstmal auf der Couch relaxen und nebenzu schwimmende Formel1-Boliden bei ihren Pirouetten zuschauen. Mein Fahrgestell fühlte sich an wie ein Formel1-Wagen der mit 200 km/h in den Reifenstapel gefahren ist. Parallel zu meinem Marathon ist die Elite in Eschede (Niederlande) auf einem Flughafen einen Marathon gelaufen. Mein „Dauerrivale“ Eliud Kipchoge hat mit Weltjahresbestleistung von 2:04:30 gewonnen. 2018 in Berlin, als wir gemeinsam auf der Strecke waren, hat er den immer noch gültigen Weltrekord eingestellt. Leider hab ich meine letzte Chance auf die Teilnahme beim Marathon der Olympischen Spiele in Tokio verpasst – um ca. 1:45 Stunden 😉
Meine letzte Packung Napoli Keksi hab ich doch noch essen dürfen – sie wären vor dem Herbstmarathon abgelaufen. Brauche dringend Nachschub.
Medaille
Strecke
Streckenvideo
Das Streckenvideo zum Nachlaufen seht Ihr hier.
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