Zitat
„Diesen geilen Zustand nach einem erfolgreichen Marathon kann man auch auf gesündere Weise erlangen, z. B. durch Drogen.“
(Kristian Thees im SWR3-Interview am 10.04.22 zu Wigald Boning, der 2021 jede Woche einen Marathon gelaufen ist)
Anmeldung
Einmal in meinem Leben wollte ich genau an meinem Geburtstag einen Marathon laufen. Deshalb suchte ich Anfang des Jahres nach einem Lauf, der am 29.05. stattfindet. In Würzburg und in Regensburg wäre an dem Termin ein Wettkampf. Da Würzburg mehr als doppelt so weit entfernt ist und ich in Regensburg nur mal kurz mit der Schule war, fiel die Entscheidung schnell. Rechtzeitig vor dem Ende der zweiten Anmeldephase hab ich mich Ende Februar angemeldet – 50 Euro sind total OK.
So spät bin ich noch nie einen Frühjahrsmarathon gelaufen und bei der letzten Austragung in 2019 muss es eine ziemliche Hitzeschlacht gewesen sein. Außerdem ist der 30. Regensburg-Marathon in diesem Jahr auch Austragungsort für die Bayerischen Marathon-Meisterschaften. Da ich aber in keinem Verein bin und keinen „Laufpass“ (ja, sowas braucht man in Deutschland) habe, darf ich nicht daran teilnehmen. Chance auf den Titel hätte ich eh nicht – es geht ja nach Altersklassen und nicht nach Gewichtsklassen.
Trainingsplan
Ich wollte wieder nach dem bekannten Trainingsplan von Andreas Butz für eine Zielzeit von 3:39 Stunden trainieren. Vielleicht klappt es ja nochmal, dass ich die Traum-Zeit vom Ulm-Marathon 2022 von 3:40:46 etwas unterbieten kann.
Da wir unseren Sylt-Urlaub im Mai schon im Januar gebucht haben, begann ich 13 Wochen vor dem Termin mit dem Training. Also 12 Wochen Trainingsplan plus 1 Woche Pause direkt vor der Taperingphase. Startzeitpunkt war somit der 27.02.2022. Mein Trainings-Tagebuch für den Regensburg-Marathon könnt Ihr hier nachlesen.
Den Plan konnte ich komplett erfüllen, obwohl ich schon einige Probleme bei den langen Läufen hatte. Am meisten Angst hatte ich vor einer Corona-Infektion während der Hochinzidenz-Phase im Frühjahr 2022 mit enormen Infektionsraten in Deutschland. Dank des konsequenten Tragens der FFP2-Masken und viel Glück sind wir bislang verschont geblieben.
Mit insgesamt 749 km direkter Vorbereitung ging es Ende Mai ins Marathon-Wochenende.
Anreise
Nach dem Himmelfahrts-Feiertag musste ich am Freitag noch in der Metzgerei arbeiten – wenn Alle einen Brückentag haben. Am Samstag hatte ich jedoch frei. In der Nacht von Freitag auf Samstag konnte ich relativ gut schlafen und nach dem Packen sind Michaela und ich gegen 10 Uhr gemütlich nach Regensburg gefahren. Wegen der Spritpreise fahr ich seit einiger Zeit sparsamer und in Regensburg angekommen war der Durchschnittsverbrauch bei 5.0 l/100 km. Mein Bestwert – und das mit Winterreifen.
Da wir erst ab 15 Uhr ins Hotel konnten, sind wir gleich zur Marathon-Messe gefahren. Danach wollten wir ins Hotel, um das Auto abzustellen und in die Stadt zu gehen.
Hotel
Das Hotel „Niu Sparrow“ suchte ich im April aus, da es in der Nähe des Bahnhofs von Regensburg liegt. Es schien gut zu sein und lag auch in der Nähe des Marathon-Strecke. Leider hab ich nicht beachtet, dass der Weg zum Start am Marathon-Wochenende mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich war, da die Linie 6 deswegen gesperrt ist.
Das Hotel war noch relativ neu (wurde im September 2020 eröffnet) und es lag wieder direkt an den Bahngleisen. Wegen der gut isolierten Fenster hörte man nur Güterzüge mit extrem schlechten Bremsen. Die Zimmer waren toll eingerichtet und wir hatten ausreichend Platz für das Gepäck. Und einen riesigen Fernseher.
Marathon-Messe / Sightseeing
Als wir kurz vor Mittag auf dem Infineon-Parkplatz, auf dem die Marathon-Messe stattfindet, angekommen sind, wuselten viele Kinder herum. Um 12 Uhr starteten sie bei den Mini-Marathons. Beachtlich, dass sich viele Kinder vor dem Lauf gleich mit Bratwurst-Semmeln stärkten – Wurstdoping ist aber nicht auf der Anti-Doping-Liste. Gut erzogene Kinder.
Wir prüften gleich die Dixies am Startplatz auf ihre Funktionsfähigkeit. Danach holte ich meinen Startbeutel mit der Startnummer ab und ging mit Michaela zur Abholung des Finisher-Shirts – Größe L wird schon passen, ansonsten kann ich es schnell ausfüllen.
Wir kauften gleich noch 2 Event-Buffs und auch ein Armbändchen für die Ukraine-Hilfe. Außerdem hab ich noch etwas in ein Spendenglas gelegt. Anscheinend ist Odessa in der Ukraine eine Partnerstadt.
Während ich meinen eigenen Laufchip vergeblich (es war Keiner da) überprüfen wollte, drehte Michaela am Glücksrad und gewann einen Magnesium-Lolly für mich. Die Messe war wie erwartet sehr überschaubar, aber an einem Stand gab es meine Maurten-Gels recht günstig und so kaufte ich gleich drei Beutel. Da sie an der Kasse auch Probleme mit den EC-Karten-Terminals hatten, dauerte es sehr lange.
Anschließend sind wir zum Nudelzelt und ich löste meinen Gutschein ein und Michaela bekam auch Penne Bolognese. Die waren sehr lecker. Danach holte sich Michaela noch eine Semmel mit lauwarmen Nürnberger Bratwürstchen.
Ich bin doch nochmal zur Überprüfung des Leihchip gegangen, was nun funktionierte. Alles OK – wär halt blöd, wenn man 42,195 km läuft und dann der Chip kaputt ist. Michaela drehte nochmal am Glücksrad und gewann ein Laufshirt – für mich (weil sie nur noch L und XL hatten).
Kurz noch beim Start des Mini-Marathon zuschauen und danach sind wir vom Parkplatz direkt ins Hotel gefahren. Wir haben es gleich gefunden und sind direkt in die Tiefgarage gefahren. Die war sehr eng, aber ich hab mein Kombi-Schiff einparken können. Ob ich da Morgen nach dem Marathon wieder heil rauskomm, war mir egal.
Wir gingen sofort in die Altstadt von Regensburg, die sehr schön ist. Nicht umsonst ist sie „UNESCO Weltkulturerbe“. Mir fiel aber auf, dass ab dem Theater ALLES Kopfsteinpflaster ist und es zudem noch sehr uneben ist. Das wird ein Spass, v.a. wenn es doch noch regnen sollte.
Erstmal kurz in den Regensburger Dom, in dem es verdammt dunkel war. Ich zündete eine Kerze an und wir sind dann über den Seitenausgang raus und standen direkt in dem Bischofshof Biergarten – Ora et labora.
Weiter sind wir durch die engen Gassen zur Donau und da stand sie schon – die Steinerne Brücke: Die ist ja gar nicht flach sondern verläuft wie ein Spitzdach. Wenigstens waren große Platten dort und nicht Kopfsteinpflaster. Morgen muss ich die Brücke sechsmal hoch- und runterlaufen. Wir fotografierten, weil auf dem Rückweg hat man einen tollen Blick auf den Regensburger Dom. Leider ist einer der beiden Türme derzeit eingerüstet.
Da es kurz vor 15 Uhr war liefen wir durch die Altstadt zurück zum Hotel, wo wir einchecken wollten.
Auf dem Rückweg sind wir noch kurz in den Edeka gegangen, um für mein Porridge Hafermilch zu kaufen, von der ich später noch etwas trank. Am Eingang war ein Aufsteller, dass man momentan leider nicht mit EC-Karte bezahlen kann – oben am Monitor war eine Werbung, dass man bevorzugt mit EC-Karte zahlen soll.
Im Hotel war leider eine Männer-Gruppe aus Schwaben vor uns, von denen Jeder eine Flasche Augustiner (gabs in der Lobby für schlappe 4,50 Euro zu kaufen) in der Hand hatte. Und es war sicher nicht das Erste (und Letzte) Bier dieses Tages für sie. Wir waren natürlich die Einzigen, die hier FFP2-Masken trugen. Endlich war ich dran und bekam einen Parkausweis, den ich erstmal im Auto unterbringen musste.
Danach sind wir hoch ins Zimmer 110 (blöde Nummer, hoffentlich kein böses Omen für den Marathon). Kurz die wichtigsten Laufsachen für den Wettkampf zusammensortieren und etwas ausruhen. Ich machte mir auch meinen Maurten-Drink, den man am Vortag des Wettkampfs trinken sollte.
Um 18 Uhr sind wir zum Essen in eine Pizzaria am Bahnhof gegangen, die Michaela im Internet gefunden hat. Wir bestellten Pasta – ich Spaghetti Pesto und Michaela hatte Penne mit Rindfleischstreifen. Zurück sind wir über den Hauptbahnhof, wo wir vergebens den Bussteig für die Abfahrt des Shuttle-Busses zum Marathon-Start suchten. Auf dem Rückweg zum Hotel merkte ich schon, wie es in meinem Bauch grummelte. Im Zimmer gleich auf die Toilette und es wurde den ganzen Abend nicht mehr richtig gut. Michaela konnte ihre geliebten Pferdeprofis schauen, während ich unter die Dusche sprang. Danach schauten wir einen Film und etwas von dem verspätet begonnenen Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und Liverpool. Bei der letzten Finalpartie dieser beiden Vereine bin ich nach der ersten Halbzeit eingeschlafen – das war nach dem Rennsteig-Marathon 2018.
Um 22:30 Uhr schalteten wir das Licht aus. Bis kurz vor 3 Uhr konnte ich schlafen, aber dann wachte ich auf und konnte nicht mehr richtig einschlafen. Mal kurz aufs Handy schauen, wer beim Fußball gewonnen hat (Madrid hat wohl unverdient 1:0 gewonnen, was Toni Kroos anders gesehen hat) und wieder eindösen. Ich hab geträumt, dass ich auf dem Kopfsteinpflaster gestolpert bin und mit blutenden, kaputten Knien ins Krankenhaus musste.
Um 5:15 Uhr bin ich schließlich aufgestanden und ins Bad verschwunden, damit ich Michaela nicht aufwecke. Nach dem Corona-Schnelltest genoss ich auf dem WC mein Porridge und mixte mir noch einen Maurten-Drink 😉
Gegen 6 Uhr ist Michaela aufgewacht und hat mir zum Geburtstag gratuliert – Geschenke gibts daheim. Nachdem alle vier Wetter-Apps auf dem Handy frühestens um 14 Uhr für Regensburg Regen vorhersagten fiel die Entscheidung für die Saucony Endorphin Speed 2-Schuhe. Davor hab ich meine Schönwetter-Anziehsachen angezogen und mich bereit gemacht. Ich entschied mich, wegen den kühlen Temperaturen doch für das Kompressions-Unterhemd – natürlich nicht, um die Röllchen am Oberkörper zu kaschieren 😉 Da ich noch etwas Zeit hatte, hab ich mein Gepäck gleich zum Auto gebracht. Die Tiefgarage war rappelvoll. Selbst auf dem Behinderten-Parkplatz (direkt hinter meinem Auto) stand ein Auto.
Im Zimmer verabschiedete ich mich von Michaela und sie machte noch ein paar Fotos von mir. Auf gehts zum Bahnhof.
Vor dem Lauf
Ich machte mich auf den ca. 15 minütigen Weg zum Hauptbahnhof. Der Himmel war wolkig und es war schon sehr frisch in der dünnen Jacke. Vor dem Bahnhof stand bereits eine Läuferin und mit der Zeit kamen immer mehr Läufer aus dem Bahnhof heraus. Aber so richtig ausgeschildert war es auch nicht. Eine Läuferin zündete sich gleich mal eine Zigarette an – wie ich später sah lief sie auch den Marathon: Respekt.
Pünktlich um 7:25 kam der Bus und er war gut gefüllt mit Läufern. Anschließend fuhren wir durch die Stadt zum Startgelände am Westbad. Ich musste gleich ins Dixie – meine nervöse Läuferblase ist wieder da.
Anschließend noch fertig anziehen und die ersten Geburtstagsglückwünsche entgegennehmen. Handy aus und den Kleiderbeutel abgeben. Direkt nochmal ins Dixie – ob ich das aushalte ohne Pippipausen. Ich denk immer an den Sketch von Monty Pyton mit dem „Marathonlauf der Blasenschwachen“.
Der Sprecher gratulierte allen heutigen Geburtstagskindern – da fühlte ich mich gleich mal angesprochen.
Vor dem Start kam ein anderer Läufer auf mich zu. Er hieß auch Martin und wir unterhielten uns ganz gut über vergangene Marathons. Er war gebürtiger Regensburger und wohnt in München. Das war heute sein neunter Marathon. Er wollte mit dem 3:15-er Pacemaker mitlaufen, was für mich natürlich nicht in Frage kam. Wir wünschten uns gegenseitig viel Erfolg und ich reihte mich zwischen den 3:30-er und 3:45-er Pacemakern ein. Knapp vor dem 3:45er ins Ziel einlaufen, war mein Ziel.
Die Stimmung unter den Halbmarathon- und Marathon-Läufern war gut und Alle warteten gebannt auf den Start.
Der Lauf
Pünktlich um 8:30 Uhr fiel der Startschuss durch die Regensburger Oberbürgermeisterin. Die Menge setzt sich in Bewegung und knapp 2 Minuten später passierte ich die Startlinie und drückte die Laufuhr ab. Ich kontrollierte mehrmals, ob meine Uhr wirklich läuft. Nicht, dass mir das Gleiche wie in Ulm nochmal passiert und ich es erst nach ein paar Hundert Metern merke. Als Zielzeit hatte ich 3:43-Stunden angegeben – angesichts des Kopfsteinpflasters (und meiner Albträume davon) wollte ich nicht ins Risiko gehen.
Die Strecke führte anfangs vom Westbad weg durch ein Wohngebiet. Es war mit ca. 10 Grad recht frisch und leicht windig und ich war froh, dass ich das Unterhemd anhatte. Den ersten Kilometer bin ich mit 5:09 min/km genau im Plan gelaufen, dann ging es trotz leichtem Anstieg im Schnitt unter 5 Minuten weiter. Trotz der ca. 3000 Läufer war es kein großes Gedränge. Etwas Slalom am Anfang, aber ich wollte ja bewusst langsamer angehen.
Die lange Hochstraße ging es leicht bergauf und dann am Bismarkplatz abwärts am Theater vorbei auf dem zunächst guten Kopfsteinpflaster an der Dreifaltigkeitskirche vorbei zum Domplatz. Dort war das Pflaster schon sehr uneben.
Direkt auf dem Domplatz eine 90 Grad-Kurve und da stand ein gelber Polo mitten in der Fahrbahn (in der zweiten Runde wurde das Auto abgesperrt). Am beeindruckenden Seiteneingang des Dom war eine Verpflegungsstelle, in der ich mir gleich einen Becher Wasser schnappte. Durch den Bogen wieder auf Asphalt und über den Minoritenweg zur Straubinger Straße. Dabei handelte es sich um eine lange, breite Stecke. Da mir schon warm wurde, hab ich meinen Bayern-Buff (nicht vom FC Bayern, sonder den weiß-blauen) ausgezogen und mir um das linke Handgelenk gewickelt. Auf meinem Kopfhörer kam das Lied „Rain in May“ von Max Werner – glücklicherweise ist das heute ja nicht der Fall.
Es gab nochmal eine kleine Schleife durch ein Industriegebiet, welches wohl zum Autozulieferer und Reifenhersteller Continental gehört und plötzlich kamen uns die Führenden entgegen. Die Spitzengruppe war aber noch ziemlich zusammen. Wieder auf der Straubinger Straße ging es in die Siemensstraße bis zu einer Kehre und zurück auf die Continental-Teststrecke. MIr kam auch der Martin von vor dem Start entgegen und ich grüßte ihn. Jetzt eine Runde auf der Teststrecke, an der leider keine Zuschauer waren. Ich entdeckte auch den 3:30er-Pacer, zum 3:45er hatte ich schon einen guten Vorsprung. Ich war ca. 3 Minuten schneller als der Plan. Danach liefen wir über die Straubinger Straße wieder zurück in die Stadt. Das war etwas trostlos und ich nutzte die Zeit um mein zweites Gel zu mir zu nehmen, welches ich bei km 12 genommen hab. Diesmal mit Koffein – ich hatte Heute ja noch keinen Kaffee.
Ungefähr bei km 15 kamen wir auf der Ostengasse wieder auf Kopfsteinpflaster. Durch das Ostentor, wo viele Zuschauer uns anfeuerten. An einem Wirtshaus des Brandl Bräu mit seinem Wandbild des „Bären an der Kette“. Auch hier standen/sassen v.a. jüngere Leute und beklatschten uns auf dem Weg bis zur Steinernen Brücke, an der am meisten Zuschauer waren und für eine tolle Stimmung sorgten.
Erstmal hoch bis zur Brückenmitte und gleich wieder runter an einem Cafe vorbei.
Dort stand auch ein Moderator und motivierte uns. Nach ca. 200 Metern im „Stadtamhof“ war die nächste Kehre und wir liefen direkt zurück über die Steinerne Brücke. Durch das Tor und nun hoch zum Haidplatz in die Altstadt. Anschließend scharf rechts zur Donau endlich wieder auf Asphalt. Nach einem Abschnitt ging es Richtung Westbad. Es waren viele Läufer, v.a. da in der Innenstadt die 10km-Läufer hinzugekommen sind, die erst um 9 Uhr gestartet waren.
Es zog sich schon ziemlich bis wir die Halbmarathon-Abspaltung am Westbad erreichten und dann wurde es plötzlich leer auf der Strecke. Ich musste gerade Laufen und konnte mich an einen Läufer aus dem deutschen Triathlon-Mekka Roth orientieren, den ich in der ersten Runde öfters sah.
Kurz nach der Halbmarathon-Marke wurden wir von einem Fahrrad überrundet, welches den „1. Mann“ begleitete. Ich sagte zu dem anderen Läufer, dass wir nun wohl Zweiter und Dritter sein müssen, wenn das der Erstplatzierte ist. Wir unterhielten uns ganz gut trotz des für mich zu hohen Tempos. Er hieß Stephen und wollte in Vorbereitung des Roth-Staffelmarathon heute „nur“ einen Dreiviertelmarathon laufen. Er sagte mir auch, dass der Regensburg-Marathon schöner als der Würzburg-Marathon sei.
Am Ende des Hochweg musste ich ihn ziehen lassen, da mir das Tempo zu hoch war und ich wünschte ihm noch einen guten Lauf. Wieder am Theater und der dort stehenden Band mit Sängerin vorbei in die Altstadt aufs Kopfsteinpflaster. Erneut an der Dreifaltigkeitskirche entlang. Dort fotografierte mich Michaela das erste Mal – in Runde 1 war ich einfach zu schnell (und ca. 8 Minuten früher als erwartet gestartet) 😉 Ich hab sie sofort an dem Luftballon am Rucksack erkannt.
Weiter zum Domplatz. Nach dem Dom wieder Verpflegung und kurz vor km 25 nahm ich wieder ein Gel. Ich hab mich gut an die Vorgabe, alle 6 km ein Gel zu nehmen, gehalten. Die zweite (und dritte) Runde führte direkt nach dem Ostentor zur Steinernen Brücke. Es wird schon schwerer, den leichten Anstieg zu nehmen und der Moderator feuerte mich namentlich an. Ich habe auch während des Rennens fast jedes „Tap here to get extra power“ – Schild abgeklatscht. Nach der Kehre wieder hoch und mit dem Dom im Blick zurück in die Altstadt.
Direkt nach dem Torbogen sah ich Michaela, die aber in die falsche Richtung schaute: Ich bin doch schon wieder zurück. Ich schrie ihren Namen, aber sie sah gebannt zu den „Rüberläufern“. Ich bin dann zu ihr hingelaufen und sie konnte mich dann von hinten noch fotografieren, wie ich den Anstieg nahm.
Nach der Altstadt ging es runter zur Donau und weiter in Richtung Westbad. Langsam merkte ich schon die Strecke in den Beinen. Da hier fast keine Zuschauer waren, war es auch etwas langweilig. Aber ich war immer noch gut von der Geschwindigkeit her unterwegs und hatte mittlerweile sogar 7 Minuten Vorsprung gegenüber der Zielzeit von 3:43 Stunden. Hoffentlich gibt es keinen Einbruch in der dritten Runde. Ich nahm deshalb etwas Speed raus auch weil es zu Rundenbeginn leicht aufwärts ging. Jetzt war es teilweise sehr einsam – vor mir nur vereinzelte Läufer, hinter mir auch weit und breit fast niemand.
Das Wetter sah zu Beginn der 3. Runde nach ca. 31 km noch gut aus, aber so richtig hab ich die Wolken nicht beobachtet. Kurz vor dem Theater bemerkte ich, dass es anfing zu tröpfeln. Und pünktlich zum Übergang von Asphalt auf Kopfsteinpflaster regnete es stärker. Erst dachte ich, es sei nur Graupel, aber die Körner wurden größer und es war doch Hagel – Peeling von oben. Beim Dom machte ich eine Gehpause an der Verpflegungsstation und griff aus Versehen auch zu Cola. Ich rannte dann wieder los durch den Wolkenbruch und nach dem Ostentor ging es im strömenden Regen auf dem Kopfsteinpflaster zur Steinernen Brücke.
Es donnerte mehrmals heftig und ich musste noch ein letztes Mal die Brücke hoch und runter. Die Fotografen haben ihren Standort verlassen, aber meine Privat-Fotografin stand unermüdlich am Ende der Brücke – voll im Regen. Da die Steinerne Brücke gesperrt war, musste sie über eine andere Brücke zur Donauinsel rüber.
Nach der Kehre kam ich wieder an ihr vorbei und rief ihr zu, dass sie danach zurück ins Hotel gehen soll, da wär es trockener.
Wieder hoch durch die enge Gasse und zum Haidplatz. Es bildeten sich riesige Pfützen durch die Unebenheiten im Kopfsteinpflaster. Nochmal eine Verpflegung und die Helfer feuerten mich toll an. Ich hoffte, dass es auf dem Asphalt besser wird, aber dort stand das Wasser über die gesamte Straßenbreite. Kurz bin ich mal auf dem Radlweg gelaufen, da dort das Wasser nicht stand. Wegen entgegenkommenden Radlern bin ich zurück auf die Straße. Eh wurscht, ich schwimm sowieso schon in den Schuhen – die Saucony Endorphine Speed 2 bieten leider überhaupt keinen Regenschutz: Kneippbaden in den Schuhen. Dank der äußeren Umstände und der regelmäßigen Gel-Zufuhr kam mir heute zu keinem Zeitpunkt ein Gedanke an den sog. „Mann mit dem Hammer“.
Noch ca. 4 km, die sich endlos anfühlten. Ich hatte ziemlich früh schon erkannt, dass ich – in Ermangelung einer aufgezeichneten Ideallinie – schon ca. 800 Meter weiter gelaufen bin, als die Streckenmarkierungen anzeigten. Ich versuchte, unter der magischen 3:40er-Zeit zu bleiben und gab zum Ende nochmal Gas und ließ sogar die letzte Verpflegungsstation aus. Die Uhr zeigte nach 3:35:54 Stunden, dass ich die Marathon-Strecke erreicht habe. Aber das ist Schall und Rauch – allein was zählt, ist die Zeit im Ziel. Weiter geht’s, bloß nicht aufgeben. Die Oberschenkel brannten (wurden aber durch den Regen gut gekühlt). Endlich die Abzweigung zur Zielgeraden im Blick und abbiegen auf die letzten ca. 200 Meter. Gib alles, auch wenn die Uhr bereits die 3:40 übersprungen hat. Die Ziellinie überquerte ich in 3:40:31 – also die Persönliche Bestzeit von Ulm 2021 nochmal um 15 Sekunden unterboten. Überglücklich und platschnass gratulierte mir ein Mädel und hängte mir die wunderschöne Medaille um – mein Geburtstagsgeschenk 🙂
Nach dem Rennen
Ich bin gleich runter vom Zielauslauf und auf der Wiese gab es reichlich Verpflegung. Ich brauchte 3 Becher Wasser und unterhielt mich mit einem Läufer, der Probleme mit seinem Knie hatte, das eh schon getaped war. Auf Obst hatte ich keinen Appetit – mein erster Marathon ohne Bananen. Ich hatte eher Appetit auf heiße Brühe und gönnte mir gleich 2 Becher. Salzig & Lecker. Hab mich dabei mit einem Marathoni unterhalten, bei dem es auch super lief. Im Gras lagen noch zahlreiche Hagelkörner.
Da ich stark fror, hab ich sofort meinen Kleiderbeutel abgeholt und bin in ein Pavillon-Zelt zum Umziehen gegangen. Leider waren die Biertischgarnituren vor den Zelten und so musste man alles direkt vom durchnässten Boden aufheben und konnte sich nicht hinsetzen. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass während des Gewitters die Pavillons zusammenbrechen.
Ich schaltete mein Handy ein und kurz darauf rief auch schon mein Bruder an, als ich quasi nackert in dem Zelt stand. Danach direkt die trockenen Klamotten anziehen. Die Socken ließ ich an, da ich ja wieder in die nassen Schuhe musste. Als ich fertig war, unterhielt ich mich nett mit einer Läuferin, die erst mit 50 Jahren mit dem Laufen begonnen hatte, um dadurch ihre Blutdrucktabletten loszuwerden. Jetzt ist sie 62 Jahre und braucht keine Tabletten mehr. Trotz Corona-Infektion an Ostern und 1 Monat Pause hat sie den Marathon in 3:55 geschafft. Wir waren uns aber einig, dass es ohne das Gewitter in der dritten Runde doch langweilig gewesen wäre.
Danach rief ich gleich Michaela an, die in der Tiefgarage des Hotels wartete. Wir machten einen Treffpunkt aus. Ich machte noch ein paar Fotos vom Ziel und genoss meine mitgebrachte Regensburger-Wurst aus der heimischen Metzgerei. Lecker. Aber Selfie mit Medaille und Wurst funktioniert nicht so richtig.
Bevor ich zur Medaillengravur ging, rief ich noch meine Mutter an und sagte, dass es gut gelaufen ist. Die Schmerzen, die ich jetzt habe, hatte sie genau Heute vor 48 Jahren.
Bei der Medaillengravur fragte mich der Mann, ob meine Angaben korrekt sind. Ich fragte, ob er vielleicht 3:39:31 daraus machen könne. Leider war er unbestechlich.
Danach wollte ich mich auf den Weg zum Bus machen, der noch da stand. Als ich meine FFP2-Maske im Kleiderbeutel suchte, fuhr er weg und Michaela rief mich an, dass sie am Rewe-Parkplatz ist. Ich dachte, ich soll mit dem Bus zum Köwe-Center fahren. Ein Passant, der das mitbekommen hatte, deutete mir den Weg zum Rewe. Und sofort entdeckte ich mein Auto und Michaela, die mich mit offenen Armen empfing. Noch ein kurzes Fotoshooting, die zweite Regensburger Wurst genießen.
Anschließend in die warme Weste und zumindest die Schuhe wechseln. Die Socken ließ ich an, da ich die trockenen Kompressionssocken sicher nicht anziehen hätte können. Rein ins Auto, Popoheizung an und los ging die Fahrt. Ich fühlte mich gut und als wir losfuhren, begann es wieder heftiger zu regnen.
Heimreise
Wir wollten erstmal raus aus Regensburg und Michaela hatte Hunger. Sie suchte eine Wirtschaft in der Nähe von Plentling aus und lotste mich dort hin. Der Schweinswirt in Niedergebraching, wo wir direkt einen Parkplatz bekamen. Ich brauchte was warmes und bestellte mir zum Schweinsbraten ein Haferl Kaffee – tolle Kombination. Es war eine urig eingerichtete Wirtschaft, aber das Essen war jetzt nicht so der Hit. Trotzdem tat der Kaffee gut und ich durfte auch von Michaelas‘ Spezi trinken.
Mittlerweile hatte der Regen aufgehört und wir sind gestärkt zurück zur A93 gefahren, weiter zum Autobahndreieck Holledau und dann auf die A9 bis Eching. Dann waren wir wieder auf der bekannten Strecke und haben uns beim Bäcker noch etwas zum Kaffee gekauft. Um 15:30 Uhr kamen wir daheim an.
Kurz das Auto ausräumen und erstmal in die Wanne. Endlich war mir wieder warm. Zum Geburtstag bekam ich von meinem Spatzl passend das neue Buch von Wigald Boning „Lauf, Wigald, Lauf“, in dem der beliebte Comedian über seine Erfahrungen während seines Marathon-Streak 2021 schrieb – jede Woche einen Marathon zu laufen.
Am Abend bin noch für 10 Minuten auf die Vibrationsplatte. Ich fühle mich an meinem 48. Geburtstag als wäre es der 84.!
Der Tag danach
Nach einer unruhigen Nacht bin ich kurz nach 3 Uhr aufgewacht und hab mich bis zum Aufstehen um 5:30 Uhr durchgekämpft. Glücklicherweise heute HomeOffice, aber leider steht die Kaffeemaschine ein Stockwerk tiefer. Treppensteigen ist schon ziemlich heftig, da die Oberschenkel ziemlich brennen. Der Hals kratzt auch leicht, was sicher an der langen Zeit in den nassen Socken lag. Blackroll wollte ich am Montag meinem Fahrgestell noch nicht zumuten.
Medaille
Strecke
Die Strecke war dadurch, dass wir zunächst einen Halbmarathon und dann zweimal die Viertelmarathon-Strecke liefen, toll. Auch wenn im Industriegebiet wenige Zuschauer waren, war es in der Altstadt sehr belebt und die Zuschauer machten eine super Stimmung – bis das Unwetter einsetzte. Die Helfer im Start-/Zielbereich und an der Strecke waren genial. Sie haben uns durch ihre Unterstützung mächtig angefeuert.
Streckenvideo
Schaue dir 30. Regensburg Marathon 2022 auf Relive an! https://www.relive.cc/view/vKv21XmQpoq