Marathon No. 13: 44. Leipzig Marathon in Steindorf 

Wir laufen, nicht weil wir denken es tut uns gut, sondern weil wir es mögen. Je mehr wir von der Gesellschaft und der Arbeit eingeschränkt werden, desto mehr benötigen wir diese Ablenkung, wo wir unsere Sehnsucht nach Freiheit stillen können. Niemand kann uns sagen nicht schneller zu laufen als derjenige oder nicht höher zu springen als diejenige. Der menschliche Geist ist unzähmbar. (Roger Bannister)

Anmeldung

Die Anmeldung zum Leipzig-Marathon machte ich nach der Geburtstagsfeier meiner Tante Susi am 26.01.2020 – gemeinsam mit der Anmeldung für den Johannesthermen-Marathon in Bad Füssing. Michaela wollte in Leipzig den 10er und ihr Papa Wilfried den Halbmarathon in Angriff nehmen. So konnten wir Drei genau drei Monate später Leipzig „rocken“. Aber meistens kommt es Anders als man denkt – aber daß es so Anders kommt in 2020, damit hat wohl Keiner gerechnet.

(Quelle: www.leipzigmarathon.de)

Der Corona-Virus ist mittlerweile zur Pandemie weltweit ausgeweitet – mehr als 3 Mio. an Covid-19 Erkrankte, über 200.000 Tote. In zahlreichen Ländern ist ein kompletter Lockdown erlassen worden, in dem die Menschen nicht mehr ihre Wohnung verlassen können. Bayern hat „Ausgangsbeschränkungen“ erlassen, man darf die Wohnung nur noch begründet oder für Spaziergänge oder Sport verlassen und nur noch Kontakt zu max. 2 Personen (aus dem selben Haushalt) haben – theoretisch jedenfalls. Sämtliche Ligen sind abgebrochen oder vorzeitig beendet worden – außer die armen Fussballer, die wollen Geisterspiele veranstalten. Große Laufveranstaltungen sind bis Herbst komplett abgesagt und so wird es wohl – bis ein Impfstoff gefunden ist – keine großen Marathons mehr geben.

Läufer weltweit lassen sich jedoch was einfallen und laufen eben mal einen Marathon auf ihrem Balkon (in Frankreich), einen Triathlon im Haus (Iron Man Jan Frodeno) oder einen 100km-Lauf ums Bett herum. In England hat ein 99jähriger Kriegsveteran jeden Tag 250 Meter mit seinem Rollator im Garten abgelaufen und wollte nur 1000 Pfund für die Gesundheitsbehörde an Spenden einsammeln – es sind mittlerweile 28 Mio. Pfund geworden. Und am 24.04. ist die von ihm mitgesungene Hymne „You never walk alone“ direkt auf Platz 1 der britischen Charts gelandet. Er wird wohl der Erste sein, der seinen 100. Geburtstag diese Woche auf Platz 1 der UK-Charts verbringt – noch vor den Rolling Stones.

Ende März kam auch für den Leipzig-Marathon 2020 das Aus. Für mich war schnell klar, daß ich trotzdem den Marathon laufe – wenn es „erlaubt“ ist. Die erste Idee, ausschließlich in meinem Heimatort Steindorf zu laufen, verwarf ich sehr schnell. Die Runde wär zwar genau 800 Meter gewesen – aber 53mal zu laufen. So weitete ich die Strecke auf das Gemeindegebiet aus. Ich habe aber nur Michaela, meiner Mutter und meinem Bruder etwas von dem Vorhaben erzählt, um unerlaubte Menschenansammlungen zu vermeiden. Die Leipziger Organisatoren boten auch die Möglichkeit an, den Marathon im Wohnumfeld „virtuell“ laufen zu können – mit Medaille und Ergebnisliste.


Trainingsplan

Da der Johannesthermen-Marathon in Bad Füssing am 02.02.2020 stattfand, hatte ich keine 12 Wochen mehr zur Verfügung, um den normalen Trainingsplan komplett durchzuführen. So entschied ich mich für den 10-Wochen-Plan von Herbert Steffny für eine Zielzeit von 3:30 Stunden – das sollte für eine realistische Zeit von 3:45 Stunden reichen. Vielleicht schaff ich ja in Leipzig die Persönliche Bestleistung von Berlin 2018 zu knacken.

Bis auf einen kleineren Trainingslauf habe ich auch alle Läufe durchgezogen und bin somit auf 650 Kilometer Vorbereitung gekommen. Die einzelnen Trainings sind im (Lauf)Tagebuch 2020 protokolliert.


Anreise

Die Anreise nach „Leipzig“ gestaltete sich sehr kurzweilig. So schnell bin ich noch nie von Gernlinden nach „Leipzig“ gefahren – nur 25 Minuten Fahrtzeit am Sonntag früh um 6:30 Uhr. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne schien jetzt schon, obwohl der Wetterbericht vor einer Woche noch schlechtes Wetter vorhergesagt hatte.

Um kurz vor 7 Uhr bin ich dann im Leipziger Stadtteil „Steindorf“ angekommen und hab mich noch fertig angezogen. Noch kurz auf die Toilette – falls es an der Strecke keine Dixies geben sollte 😉

Michaela wollte zum Fotografieren etwas später an die Strecke kommen. Sie hatte letzten Sonntag schon den 10km-Lauf erfolgreich in Gernlinden absolviert und ihr Papa den Halbmarathon im „richtigen“ Leipzig. So fehlte nur noch mein Marathon.


Hotel

Da wir ja am Nachmittag direkt wieder von „Leipzig“ heimfahren wollten, brauchten wir kein Hotel. Gut, denn die Hotels und Gaststätten haben eh gerade geschlossen. Glücklicherweise hatte ich auch kein Hotel gebucht.


Sightseeing / Marathon-Messe

Leider gab es keine Marathon-Messe in Steindorf. Das Finisher-Shirt war am Freitag im Briefkasten. Die Startnummer hatte ich mir ausgedruckt und laminiert – es sollte ja so realistisch wie möglich sein.

Startnummer für meinen Virtuellen Lauf
Laufshirt mit Startnummer

Als im März die Idee aufkam, den Marathon in meiner Heimat zu laufen, befürchtete ich noch, dass ich während der Sonntagsmesse laufe. Doch mittlerweile ist sogar der Kirchgang verboten – so eine Situation gab es noch nie.


Vor dem Lauf

Da um kurz vor 7:30 Uhr ALLE Teilnehmer des virtuellen „Leipzig“-Marathon schon anwesend und startbereit waren, startete mein Bruder (und Hauptsponsor) Christian den Marathon direkt vor der Landmetzgerei in Steindorf: LAUF, DU SAU!!!

Strahlender Sonnenschein

In der Rückentasche hatte ich mein Handy dabei, damit Christian und Michaela mich im LiveTracking verfolgen konnten. Anscheinend ging das trotz der Funklöcher auf dem Land ganz gut.


Der Lauf

Ich lief erstmal zur Kirche, um meinen Segen für den bevorstehenden Marathon zu bekommen. Leider ist es nun auch der „erste Marathon“ für meine Tante Susi, die am Gründonnerstag plötzlich und unerwartet verstorben ist.

Letzte Einstellungen an der Laufuhr

Zu Beginn führte die Strecke am Pfarrhof vorbei Richtung Hausen. Es wehte ein kalter (2 Grad Celsius), leichter Wind und die Sonne schien jetzt schon. In Hausen ging es Richtung Sportplatz (als Ersatz für die Red Bull-Arena in Leipzig) zäh bergauf. Dann weiter in Hofhegnenberg am Schloss (als Ersatz für das Völkerschlachtdenkmal) vorbei Richtung Eresried. Endlich mal leicht bergab – das wird wohl mein Lieblingsstreckenabschnitt werden. Kurz vor Eresried ging es in eine Senke und an blühenden Rapsfeldern vorbei zum dortigen Ortseingang. Hier hatte ich auch – da es genau nach 5 km war – bei Bekannten meinen Verpflegungskübel abgestellt.

Blick auf Egling an der Paar

Nun ging es weiter den langen zähen Anstieg Richtung Wald und bis Heinrichshofen. Dort bin ich nicht in den Ort gelaufen (gehört ja nicht zur Gemeinde) und auf der Straße zurück nach Steindorf am Weiher vorbei. Die Zielzeitprognose lag bei unglaublichen 3:30 Stunden. Nach 10,4 km war die erste Runde in ca. 52 Minuten abgeschlossen – 3 Minuten schneller als geplant. Ich nahm am „Verpflegungsstand“ bei der Metzgerei einen kräftigen Schluck aus der Trinkflasche.

An der Verpflegungsstation angekommen

Nun ging es am Feuerwehrhaus vorbei zum Pfarrhof und wieder an der blühenden Sauerkirsch-Plantage vorbei nach Hausen. Ich war immer noch schnell unterwegs – zu schnell, was sich später noch rächen könnte. Der Anstieg zum Sportplatz ging jedoch noch relativ gut und auch am Schloss war ich auch schnell vorbei. Beim Anstieg nach Eresried sah ich sogar einen Läufer vor mir in der Ferne laufen. An der Verpflegung schnappte ich mir eine Trinkflasche als Wegzehrung.

Langsam kam ich dem Läufer immer näher und beim Wald war ich ihm schon dicht an den Fersen – natürlich auf der für mich ungewohnten Fahrbahnrichtung. Ich erkannte ihn und grüßte ihn – auf sächsisch natürlich: Es ist ja schließlich der Leipzig-Marathon. Wieder an dem Holzhaufen vorbei stand wieder der leicht-ekelhafte Anstieg nach Heinrichshofen an. Langsam spühre ich die Oberschenkel schon, aber selber schuld, wenn man wieder zu schnell losläuft. Laut Streckenplanung hatte eine Runde ca. 100 Höhenmeter – in Berlin sind es auf den kompletten Marathon knapp 50 Meter.

You are now leaving Landkreis/Lech

Wieder leicht bergab und hoch und ich bin wieder im Landkreis Aichach-Friedberg. 20 Kilometer sind nun hinter mir und ich laufe wieder am Weiher vorbei zur Metzgerei. Schnell einen Müsliriegel mitnehmen und kurz mit meinem Bruder quatschen. Meine Mutter stand auf dem Balkon.

(Fast) Halbzeit

Die dritte Runde startete und am Pfarrhof hatte ich den Halbmarathon mit ca. 1:46 absolviert – viiiiiiiel zu schnell. Mittlerweile konnte ich die Sonnenstrahlen richtig spühren und die Beine wurden immer wärmer (was natürlich auch an dem Chilli-Balsam liegen könnte, mit dem ich meine Beine in der früh eingerieben habe). Von Hausen wieder hoch nach HofhegnenBERG und am Schloss vorbei.

Wenigstens ging es dann bei kühlendem Wind etwas runter und hinter Eresried wieder auf den zähen Weg nach Heinrichshofen. Ich fühlte mich nicht mehr sehr gut und hatte etwas Schmerzen in der Hüfte. Dann überholte mich ein Auto – es war Michaela. Ich sagte Ihr, dass sie mich auf der Steindorfer Straße beim Rapsfeld fotografieren kann. Doch ich war schon sehr groggy und lief dort lächelnd an ihr vorbei. Nun noch am Weiher vorbei wieder zur Metzgerei. Die Prognose war noch bei 3:32 Zielzeit.

An der Verpflegung machte ich eine etwas längere Pause, nahm den Buff ab (der die Wärme immer mehr staute) und setzte eine frische Kappe auf. Meine Mutter rief, daß ich doch aufhören sollte – aber 31 km ist keine Wettkampflänge. Widerwillig lief ich in die vierte – und letzte – Runde.

Muss nochmal mit der Firma Develey einen Sponsor-Vertrag aushandeln

Michaela hatte ich zuvor gesagt, dass sie mich am Sportplatz gut fotografieren kann.

Zum letzten Mal durch Hausen, wo ich den Anstieg zum Sportplatz mit einer Geh- & Esspause begann. Dann Hochquälen zum vereinbarten Fotoplatz. Ich sah Michaela ankommen und gab ihr noch etwas Zeit, ihr Equipment auszupacken. Wieder loslaufen fürs Fotoshooting, aber ich war am Anschlag.

Sie fuhr an mir vorbei und fotografierte mich dann nochmal vor dem Schloss.

Ich ging dann ins Walken über – jeder Anstieg tut weh. Wieder etwas laufen, kurz gehen, loslaufen, usw.

Endlich in Eresried und noch etwas Verpflegung einpacken. Michaela kam auf mich zu, ließ sich aber auf einen Tausch nicht ein: Ich wollte so gerne mit ihrem Auto weiterfahren.

Den Anstieg zum Streithang ging ich streckenweise wieder. Die Zielprognose stieg auf über 4 Stunden, wenn es so „weitergeht“.

Also wieder laufen, etwas gehen und dann wieder laufen. Michaela stand auf einem Holzhaufen und fotografierte mich.

Jeder kleine Anstieg tut weh. Von der Kondition ging es mir noch relativ gut – aber wenn das Fahrgestell und der Kopf nicht mehr mitspielen, dann wird es schwierig. Man kann sich an keinem Mitläufer orientieren.

Bei Heinrichshofen konnte ich die Zeitprognose wieder auf 3:53 drücken und so ging es dann zum letzten Mal nach Steindorf. Ich ging 50 Meter und lief dann wieder 5-6 Straßenpfähle weit. Da hat wenigstens der Kopf auch was zu arbeiten.

Am Bahnweg angekommen nochmal runter zum Weiher, wo mich Michaela ein letztes Mal fotografierte. Am Weiherweg entlang ein paar Bekannten einen schönen Morgen wünschen und wieder an der Metzgerei – bei Kilometer 41,4.

Nun nochmal zur Kirche und am Feuerwehrhaus vorbei wieder zurück. Mein Bruder spannte ein Zielband über die Strasse, welches ich durchlief. Erster – Sieger (weil einziger Starter). Fertig – nee, es fehlen noch 80 Meter. Nochmal kurz hoch zur Metzgerei und wieder zurück zur Verpflegung an unserem Kastanienbaum. Endlich geschafft.

Nach 3:52:29 war die Marathondistanz erreicht. Der 13. Marathon ist geschafft – und es war ein ganz besonderer „Geister-Marathon“: Ohne Zuschauer und komplett alleine gelaufen. Kann man machen – muss man aber nicht. Mit Mitläufern und Zuschauern macht es viel mehr Spass. Hoffentlich gibt es im Herbst wieder richtige Wettkämpfe mit falschen Hasen – richtige Hasen hab ich an der Strecke vier gesehen.

Ob, wie und wo es mit meiner sportlichen Laufbahn weitergeht, werde ich wieder im (Lauf)Tagebuch 2020 zusammenschreiben. Grundvoraussetzung jedoch ist, dass Ihr und ich gesund bleiben.


Nach dem Rennen

Im Ziel genoss ich mein wohlverdientes Erdinger Grapefruit. Lecker. Etwas in der Sonne aufwärmen und in meinem alten Zimmer die Laufklamotten loswerden. Ab in die Dusche und anziehen. Recovery-Kompressionsstrümpfe anziehen bei kleinen Krampfanfällen ist kein Spaß.

Mein Bruder holte gerade das Essen für uns bei der Gastwirtschaft Aumüller in Merching. Die haben seit Heute einen Abholservice und es gab für uns Alle die Leibspeise von meinem Papa: Zwiebelrostbraten mit Spätzle und Salat.

Leeeeeeeecker

Am Nachmittag tranken wir noch Kaffee mit Kuchen, bevor Michaela und ich noch kurz zur Kirche gefahren sind. Kleines Finisherfoto vor der Kirche. Wir besuchten dann noch das Grab von meinem Papa. Es war mittlerweile auch sein dritter Marathon (in Form des Sterbebildes) und der erste Marathon, den er in Steindorf mitgelaufen ist.

Nach dem Lauf bin sogar ich schlanker als der Steindorfer Kirchturm

Anschließend fuhren wir zurück nach Gernlinden. Die Schmerzen und Krämpfe in den Beinen waren heute aber wirklich extrem. Zuhause relaxen und die Füsse hochlegen.

Danke nochmal an Michaela, meine Mama und meinen Bruder für die tolle Bewirtung und Unterstützung sowie die tollen Fotos. Und Gratulation an Wilfried zum Halbmarathon.

Nächstes Jahr gehts dann hoffentlich ins richtige „Leipzig“ – zur 45. Auflage des Leipzig Marathons‘.


Der Tag danach

Muskelkater ohne Ende. Die Nacht war sehr schmerzhaft und so bin ich doch um 6 Uhr aufgestanden. Erstmal gemütlich frühstücken, denn ich habe ja heute Urlaub. Ursprünglich waren noch ein oder zwei Tage in Leipzig geplant, um gemütlich heimzufahren.

Ein Bild von mir wurde sogar auf der Startseite des Leipzig-Marathons veröffentlicht *stolz*

(Quelle: www.leipzigmarathon.de)


Medaille

Die Medaille soll etwas später per Post zugesendet werden.


Strecke


Streckenvideo

Das Streckenvideo könnt Ihr hier anschauen.


Urkunde


Finisher-Shirt


Ergebnis

6 Kommentare zu „Marathon No. 13: 44. Leipzig Marathon in Steindorf “

  1. Pingback: 03.05.2020: WingsForLife – WorldAppRun 2020 – bikerun-engerl.de

  2. Pingback: 21.06.2020: CoRUNa – Halbmarathon – bikerun-engerl.de

  3. Whats up this is somewhat of off topic but I was wondering if blogs use WYSIWYG editors or
    if you have to manually code with HTML. I’m starting a blog soon but have no coding expertise so I wanted to get
    advice from someone with experience. Any help would be greatly appreciated!

  4. You’re so cool! I do not believe I’ve read a single thing like this before.
    So good to discover another person with a few original thoughts on this topic.
    Seriously.. many thanks for starting this up. This website is
    one thing that’s needed on the internet, someone with a little originality!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert